Sanktionsrecht
bungsverfahrens aus parlamentarisch-demokratischer Sicht, d. h. der
Beteiligung von Landtag und Volk, darf jedenfalls ein Veto im Anwen-
dungsfall die Legislativ-Kompetenz des Landtags bzw. des Volkes nicht
ihrer Substanz berauben.?50
Besonders stossend wird das sogenannte Voraus-Veto wahrgenom-
men, in dem der Landesfürst vor der Abstimmung ankündigt, dass er
auch einem Gesetzesbeschluss des Landtages bzw. einem solchen Geset-
zesbeschluss, der in der Volksabstimmung angenommen wird, die Sank-
tion verweigern werde. Nach der Rechtsprechung des Staatsgerichts-
hofes, wie sie sich im Zusammenhang mit der EWR-Abstimmung
präsentiert, verletzt ein solches Voraus-Veto des Landesfürsten die Ab-
stimmungsfreiheit.?!
2. EMRK und innerstaatliche Beschwerdemöglichkeit
Im Zusammenhang mit der Sanktionsverweigerung oder der schlichten
Unterlassung der Sanktion eines vom Landtag beschlossenen oder eines
in einer Volksabstimmung angenommenen Gesetzes stellt sich die Frage
der innerstaatlichen Beschwerdemöglichkeit, wie sie mit Blick auf
Art. 13 EMRK i. V. m. Art. 3 des 1. ZP zur EMRK schon gefordert wor-
den ist.32 Da die Verfassung das Sanktionsrecht des Landesfürsten ın
350 Vgl. Gerard Batliner, Die Sanktion der Gesetze, S. 137 unter Bezugnahme auf Mark
E. Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, 1993, S. 389
Rz. 651 und Jochen Abr. Frowein/ Wolfgang Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Aufl.,
1996, S. 836 Rz. 2. Vgl. auch Rene Rhinow, Rechtsgutachten, 5. 50 ff., der unter Be-
zugnahme auf Jochen Abr. Frowein/ Wolfgang Peukert, Europäische Menschen-
rechtskonvention, 2. Aufl., 1996, S. 836 zum Schluss kommt, dass ein absolutes Veto
von einem nicht auf direkter oder indirekter Volkswahl beruhenden Organ nach
Art. 3 des ZP I zur EMRK problematisch ist. In diesem Sinne auch Claudio Ros-
sano, Parlamentarische Regierungsform und Demokratie, S. 81, wenn er ausführt:
«Auf formaler Ebene ist evident, dass das einem Staatsoberhaupt, welches auf Le-
benszeit im Amt und dem Parlament nicht verantwortlich ist, verliehene Sanktions-
recht diesem eine Macht sichert, die demokratisch nicht begründbar erscheint. Nach
der Verfassung Liechtensteins ist insbesondere das Veto weder durch eine nachfol-
gende Abstimmung des Landtages überwindbar, noch wenn die Abstimmung mit
qualifizierter Mehrheit erfolgt.» Vgl. auch hinten S. 452 ff.
351 Siehe StGH 1993/8, Urteil vom 21. Juni 1993, LES 3/1993, S. 91 (97 Erw. 2.1).
352 Vgl. Gerard Batliner, Die Sanktion der Gesetze, S. 137 f. Art. 13 EMRK hat akzes-
sorischen Charakter. Das heisst, dass eine Verletzung nur in Verbindung mit einem
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