Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Begnadigung und Niederschlagung von Strafverfahren 
Begnadigung dadurch erfolgen, dass Freiheitsstrafen durch Geldstrafen 
ersetzt, Geldstrafen und Freiheitsstrafen herabgesetzt oder erlassen wer- 
den, aber auch dadurch, dass für unbedingt ausgesprochene Strafen die 
bedingte Strafnachsicht gewährt oder Verurteilte, die ihre Strafe schon 
verbüsst haben, bedingt entlassen werden. Sie kann auch in der Nach- 
sicht von Rechtsfolgen bestehen.!7® 
Das Begnadigungsrecht dient der Korrektur von Härten, die aus- 
nahmsweise mit der Anwendung der generellen Norm verbunden sind. 
Wenn es Aufgabe der Rechtsprechung ist, dem Gesetz Genüge zu tun, 
so der Oberste Gerichtshof, «ist es auf der anderen Seite Aufgabe der 
Gnade, Härten im Einzelfall (individuell) zu beseitigen, die durch eine 
im Rechtsweg nicht mehr behebbare Gesetzesfolge entstehen.»!7? 
Das Begnadigungsrecht steht dem Landesfürsten zu.!® Es zählt zu 
den «traditionell dem Staatsoberhaupt zustehenden Befugnissen»18% bzw. 
ist eine «typische Befugnis eines Staatsoberhauptes».!? Man kann den 
Landesfürsten auch Träger des Begnadigungsrechts nennen.!® Für den 
Obersten Gerichtshof liegt es «auf der Hand, dass für diesen Akt der Bil- 
ligkeit, welcher die Gesetzesanwendung im Einzelfall souverän korrigie- 
ren kann, nur das oberste Organ der Staatsgewalt in Betracht kommt». 
Diese Position nimmt der Landesfürst als Staatsoberhaupt ein.!% 
2. Rechtscharakter des Gnadenaktes 
Eine Gnadenentscheidung des Landesfürsten stellt zweifellos einen 
staatlichen Hoheitsakt bzw. einen Akt der «öffentlichen Gewalt»!®5 dar. 
Im Schrifttum wird er auch als «gerichtsfreier Hoheitsakt»1% oder als 
  
178 So Karl Kohlegger, Das Gnadenrecht des Landesfürsten, S. 143. 
179 Beschluss des OGH vom 30. Mai 1983, LES 3/84, S. 97. 
180 Vsgl. Art. 12 Abs. 1 LV und $ 256 Abs. 1 StPO. 
181 Klaus Schlaich, Die Funktionen des Bundespräsidenten, S. 545 Rz. 9. 
182 Günther Winkler, Begnadigung und Gegenzeichnung, S. 8. 
183 Johann-Georg Schätzler, Handbuch des Gnadenrechts, S. 18. 
184 Beschluss des OGH vom 30. Mai 1983, LES 3/84, S. 97. 
185 So die Terminologie des Art. 15 Abs. 1 SIGHG. 
186 Vgl. in Anlehnung an die österreichische Literatur Karl Kohlegger, Das Gnaden- 
recht des Landesfürsten, S. 140. Er verweist auf Edwin Loebenstein, Zur Problema- 
tik gerichtsfreier Hoheits- und Regierungsakte, S. 591 ff., der die Erweisung von 
345
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.