Staatsrecht und Hausrecht
Eine andere Ansicht vertritt die Regierung in ihrer Stellungnahme vom
26. November 2002,1* wenn sie Art. 3 LV als «verfassungsrechtliche
Anerkennung des seit zwei Jahrhunderten regierenden Fürstenhauses
Liechtenstein als Inhaber des Thrones» versteht. Bezüglich der Regelung
der erblichen Thronfolge, der Volljährigkeit und der Vormundschaft
werde auf die Hausgesetze «als eine ausserhalb der staatlichen Gesetzge-
bung stehende Rechtsquelle» verwiesen. Damit anerkenne der Staat die
Autonomie des Fürstenhauses, diese staatsrelevanten Materien mittels
Hausgesetz zu ordnen. Auch die Regelung der Mitgliedschaft im Fürs-
tenhause Liechtenstein, die Schaffung einer Organisation und schliess-
lich die Festlegung der Kompetenz zur Erlassung und Abänderung der
Hausgesetze lägen im Autonomiebereich des Fürstenhauses.!®
Diese Position bedeutet, dass das Fürstliche Haus sich aus eigenem
Recht ein von ihm bestimmtes Hausgesetz geben kann, bei dem es sich um
«eine ausserhalb der Landesverfassung stehende und von dieser unzwei-
felhaft vorausgesetzte originäre Rechtsquelle besonderer Art» handelt.1%
2. Aus der Verfassung abgeleitete Autonomie
Die Gegenthese, die hier vertreten wird, lautet, dass das Hausrecht des
Fürstlichen Hauses nicht für sich und aus sich selbst gilt, sondern erst
aufgrund der Verfassung, die ihm dieses Recht einräumt bzw. diese Mög-
lichkeit zum Erlass eines Hausgesetzes für die staatliche Rechtsordnung
eröffnet. !°7
164 BuA Nr. 135/2002, $. 7.
165 In diesem Sinne auch Günther Winkler, Verfassungsreform, S. 277 ff., wenn er u.a.
ausführt: «Infolge der historischen Identität des Staates Liechtenstein seit seiner
Entstehung und der rechtlich kontinuierlichen Entstehung der Verfassung von 1921
aus der Verfassung des Jahres 1862 wird der dadurch überkommene Rechtsbestand
der Hausgesetze über das Jahr 1921 hinaus verfassungsrechtlich ausdrücklich als
fortdauernd verbindlich bekräftigt.» Und weiter: «Die Regelung des Art. 3 LV bil-
det in diesem Sinn den äusseren Rahmen für die Zuständigkeit des Fürstenhauses,
bestimmte und damit begrenzte verfassungsrelevante Materien der Hausgesetze mit
Verbindlichkeit auch für die Verfassung autonom zu ordnen» (S. 277).
166 Vgl. Günther Winkler, Verfassungsreform, S. 285.
167 Vgl. auch Gregor Steger, Fürst und Landtag, S. 55, der der Ansicht ist, dass vom
Standpunkt des Staates aus das Hausgesetz in Bezug auf die in Art. 3 LV aufgezähl-
ten Materien als eigene Rechtsquelle «formell verschwunden» sei.
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