Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Demokratisierung und Parlamentarisierung der konstitutionellen Erbmonarchie 
einzelnen Regierungsmitgliedern zu verantwortende Tätigkeit nach 
politischen Massstäben zu bewerten.?*# 
War die Regierung oder das einzelne Regierungsmitglied bisher 
dem Landesfürsten und dem Landtag für die Amtsführung verantwort- 
lich, können es fortan die verschiedensten Gründe sein, die das Ver- 
trauen zerstören.?® Das Misstrauensvotum ist an keine materiellen Kri- 
terien gebunden. Erwähnt werden staatspolitische Gründe.?*® Wegen 
deren Vielfalt sei das Misstrauensvotum in den Verfassungen der Mit- 
gliedstaaten des Europarates regelmässig weder begründungspflichtig 
noch auf die Amtspflichtverletzung oder auf irgendeinen anderen Tatbe- 
stand eingeschränkt.?” Die Verantwortlichkeit hat weder etwas mit per- 
sönlicher Schuld im Sinne von Vorsatz oder Fahrlässigkeit zu tun noch 
will Art. 80 an ein Fehlverhalten zivil- oder strafrechtliche Folgen knüp- 
fen. Die Anklage vor dem Staatsgerichtshof wegen Verletzung der Ver- 
fassung oder sonstiger Gesetze, wenn diese Verletzung in Ausübung der 
Amtstätigkeit absichtlich oder grob fahrlässig erfolgt ist,? bleibt dem 
Landtag vorbehalten.?*? Davon unterscheidet sich die politische Verant- 
wortung grundlegend. Sie bildet die Kehrseite des politischen Vertrau- 
ens.? Ihrem Umfang nach deckt sie sich mit der gesamten Amtsführung 
des jeweiligen Entscheidungsträgers bzw. Regierungsmitgliedes. Die 
Verantwortlichkeit bezieht sich ohne Rücksicht auf die persönliche 
Zurechenbarkeit auf alle Vorkommnisse des Zuständigkeitsbereichs des 
  
244 Vgl. Gerard Batliner, Einführung in das liechtensteinische Verfassungsrecht, S. 64; 
Walter Kieber, Regierung, Regierungschef, Landesverwaltung, S. 296. 
245 Vgl. Gerard Batliner, Diskussionsbeitrag, S. 51 Rz. 85, der die Befürchtung äussert, 
dass mit der Streichung der Worte «durch seine Amtsführung» in Zukunft auch 
jeder private bzw. irgendein Anlass von Vertrauensverlust genüge, um zum Rück- 
tritt gezwungen zu werden. 
246 Nach Günther Winkler, Verfassungsreform, S. 256 ist das Misstrauensvotum ein 
«Mittel der staatspolitischen Kontrolle». 
247 Vgl. Günther Winkler, Verfassungsreform, S. 248. 
248 Siehe Art. 28 Abs. 1 SEGHG. 
249 Vegl. Art. 62 Bst. g LV, wo es heisst, dass die Erhebung der Anklage gegen Mitglie- 
der der Regierung wegen Verletzung der Verfassung oder sonstiger Gesetze vor dem 
Staatsgerichtshof zur Wirksamkeit des Landtages gehört. Bisher enthielt Art. 80 LV 
nur einen entsprechenden Vorbehalt, ohne dass die Anklageerhebung im Kompe- 
tenzkatalog des Landtages aufgeführt war. 
250 Johannes Masing, Politische Verantwortlichkeit und rechtliche Verantwortlichkeit, 
S. 37. 
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