Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Demokratisierung und Parlamentarisierung der konstitutionellen Erbmonarchie 
b) Ausformung der politischen und rechtlichen Verantwortlichkeit 
ba) Schlossabmachungen und Regierungsvorlage 
Die Schlossabmachungen übernehmen in Ziffer 3 und 4 und die Regie- 
rungsvorlage in den $$ 80 und 104!” diese beiden Formen der Verant- 
wortlichkeit und passen sie dem Regierungssystem an, wie es in anderen 
konstitutionellen Monarchien des 19. Jahrhunderts verwirklicht war. Sie 
verstehen demgemäss die politische Verantwortlichkeit im Sinne einer 
dienstbezogenen Verantwortlichkeit, die mit der Amtsführung eines 
Regierungsmitglieds in Verbindung steht, wobei dem Landtag im Unter- 
schied zum Verfassungsentwurf von Wilhelm Beck lediglich das Recht 
zusteht, im Fall des Vertrauensverlustes beim Landesfürsten «die Enthe- 
bung des betreffenden Funktionärs (zu) beantragen». Das Institut der 
Ministerverantwortlichkeit war nämlich nicht nur eine Begleiterschei- 
nung, es wurde allgemein als «Schlussstein des Konstitutionalismus» 
betrachtet.!® Der Landtag hatte bis anhin nur das Recht, Anfragen zu 
stellen, Meinungen und Wünsche zu äussern, das Recht zu kritisieren 
und auf Verbesserungen zu dringen sowie das Recht, Mängel und Miss- 
bräuche zu beanstanden. Dabei handelte es sich nicht um durchsetzbare 
Rechte.!* Der Landtag begann aber gegen Ende des 19. Jahrhunderts, 
Misstrauensvoten abzugeben, obwohl diese Möglichkeit verfassungs- 
rechtlich nicht normiert war. Die Misstrauensvoten übten zumindest 
einen moralischen Druck aus.!® So gesehen stellt dieses Institut eine ver- 
spätete Aufarbeitung einer Verfassungslage dar, wie sie bereits in ande- 
ren konstitutionellen Monarchien galt. Die Regierung stand staatsrecht- 
lich noch in keiner Beziehung zum Landtag. Die «verantwortlichen 
192 Vgl. auch $ 62 Bst. g der Regierungsvorlage, der die Erhebung der Anklage gegen 
Mitglieder der Regierung wegen Verletzung der Verfassung oder sonstiger Gesetze 
vor dem Staatsgerichtshof zur «vorzugsweisen» Zuständigkeit des Staatsgerichts- 
hofs zählt. 
193 Petra Popp, Ministerverantwortlichkeit und Ministeranklage, S. 1; vgl. auch Chris- 
tine Weber, Gegenzeichnungsrecht, S. 52 mit weiteren Hinweisen. 
194 Siehe $ 42 KV 1862. 
195 Vgl. Albert Schädler, Landtag, in: JBL Bd. 4 (1904), S. 42 ff. zur Beilegung von Mei- 
nungsverschiedenheiten zwischen dem Landtag und dem Landesverweser Friedrich 
Stellwag von Carion. 
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