Verfassungsrevision von 1921
alten Verfassung identisch sind. Eine materielle Totalrevision ist durch
die Änderung eines oder mehrerer Grundprinzipien der Verfassung
gekennzeichnet.® Die Änderungen, die die Verfassung von 1921 vor-
nimmt, sind zum Teil inhaltlich so tiefgreifend, dass sie einer Neuaus-
richtung gleichkommen. Sie stellen mit ihrer Teilung der Staatsgewalt
zwischen Fürst und Volk den Staat auf eine neue Grundlage, indem sie
deren Kompetenzen abschliessend festlegen und zum Schutz der Verfas-
sung eine starke, rechtswahrende Verfassungsgerichtsbarkeit schaffen.
Die neue Verfassungsordnung ist so gesehen mit der bisherigen weder
formell- noch materiellrechtlich identisch, sodass eine Totalrevision vor-
liegt.”
Der Entwurf von Prinz Karl von Liechtenstein stellt im Vergleich
dazu eine Partialrevision dar. Er hält am bisherigen monarchischen Kon-
stitutionalismus fest. Er schränkt zwar die grundsätzlich «vor» der Ver-
fassung liegende monarchische Staatsgewalt weiter ein, modifiziert sie
aber nur im Sinne einer Selbstbeschränkung des Fürsten. Der Entwurf
möchte es offenbar nicht zu einem Kontinuitätsbruch kommen lassen.
III. Vereinbarte oder paktierte Verfassung
Die Idee der Verfassungsschöpfung durch Verfassungsvereinbarung ent-
stammt dem Konstitutionalismus. Es handelt sich bei der Verfassung
von 1921 insoweit um eine vereinbarte Verfassung,%® als sie im Vorfeld
des eigentlichen bzw. verfassungsmässigen Verfahrens zwischen ver-
86 So Christian Winterhoff, Verfassung — Verfassunggebung, S. 311.
87 Vsl. Christian Winterhoff, Verfassung — Verfassunggebung, S. 186 f.; a. A. Günther
Winkler, Verfassungsrecht, S. 34, auch wenn er grundlegende Änderungen gegen-
über der Konstitutionellen Verfassung von 1862 nicht in Abrede stellt (S. 30). Die
Grenzen zwischen einer Totalrevision, die unter die Kategorie der Verfassungsän-
derung einzureihen ist, und der Verfassunggebung sind bisweilen fliessend. So
Christian Waldhoff, Entstehung des Verfassungsgesetzes, S. 328 f. Rz. 44; vgl. auch
Matthias Herdegen, Grenzen der Verfassungsgebung, S. 352 Rz. 13. Nach Wolfram
Höfling, Die Verfassungsbeschwerde zum Staatsgerichtshof, S. 148 hat die Verfas-
sung von 1921 mit der Errichtung der Verfassungsgerichtsbarkeit die Grundlagen
des Staates im Wesentlichen neu konstituiert.
88 Vgl. nur Dietmar Willoweit, Verfassungsinterpretation im Kleinstaat, S. 200; Chris-
tine Weber, Gegenzeichnungsrecht, S. 141 mit weiteren Literaturhinweisen.
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