Volltext: Die liechtensteinische Staatsordnung

Verfassungsrevision von 1921 
voll verwirklicht ist, wenn man mit Martin Kirsch>! davon ausgeht, dass 
erst dann von einem parlamentarischen Regierungssystem gesprochen 
werden kann, wenn der Landtag allein über die Regierung bestimmt. Die 
Regierungsmitglieder sollten hingegen ausschliesslich vom Vertrauen 
des Landtages abhängig sein. Verlieren sie sein Vertrauen, haben sie von 
ihrer Stelle zurückzutreten. 
Eine vergleichbare Regelung ist bei den Schlossabmachungen nicht 
vorgesehen, die in dieser Hinsicht nicht vom Landtagsbeschluss vom 
10. Dezember 1918 abrücken, dem der Landesfürst seine «Vorsanktion» 
erteilt hatte. Er war bereit, seine Alleinzuständigkeit aufzugeben und 
den Landtag in das Regierungssystem einzubinden, nicht aber in einer 
Art und Weise, die den monarchischen Konstitutionalismus infrage stel- 
len würde. Die Exekutivgewalt sollte in diesem Sinn zwischen Fürst und 
Landtag geteilt werden, wie es bisher im Legislativbereich auch der Fall 
gewesen ist. Es handelt sich um das dualistische Entscheidungsmuster 
mit Vorrang des Fürsten,” das hier übernommen werden sollte. Konnte 
der Landtag nach dem Verfassungsentwurf von Wilhelm Beck den 
Regierungsmitgliedern noch allein das Vertrauen entziehen, sodass sie 
von ihrer Stelle zurückzutreten hatten, räumen ihm die Schlossabma- 
chungen nur mehr ein Antragsrecht ein. Danach kann der Landtag beim 
Landesfürsten die Enthebung eines Regierungsmitgliedes vom Amte 
beantragen, wenn es wegen seiner Amtsführung das Vertrauen des Vol- 
kes und des Landtages verliert. Die Ernennung und Entlassung der 
Regierungsmitglieder soll allein dem Landesfürsten zustehen, wie dies 
schon bisher der Fall gewesen ist. 
1920. So auch Ziffer 1 des vom Fürsten sanktionierten Landtagsbeschlusses vom 
10. Dezember 1918. 
51 Vgl. Martin Kirsch, Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, S. 172 f., der aus- 
führt, dass erst bei einer alleinigen Bestimmung der Regierung durch das Parlament 
von einem parlamentarischen System gesprochen werden sollte. Anderer Ansicht ist 
offensichtlich Art. 62 i. V. m. Art. 60 des Verfassungsentwurfs von Wilhelm Beck. 
Zum unterschiedlichen Verständnis dieses Begriffs in den Landeszeitungen siehe 
Herbert Wille, Landtag und Wahlrecht, S. 128 ff. 
52 In diesem Sinne auch Hans Nawiasky, Rechtsgutachten, S. 21, wenn er mit Bezug 
auf das Antragsrecht des Landtages vermerkt: «Das war also ein den bekannten 
Mustern der parlamentarischen Regierung möglichst weitgehend nachgebildetes 
System; nur ist die Stellung des Landesfürsten stärker gewahrt, besonders durch die 
Einschaltung seiner Bestimmung bei der Entlassung der Regierung.» 
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