Landesfürst und Regierung
genannt werden.?” Klare Abgrenzungskriterien gab es aber nicht, sodass
die Staatspraxis kein einheitliches Bild vermittelt.?® Was unter einem
Gesetz zu verstehen ist und wie es sich gegenüber einer Verordnung
abgrenzt, lässt sich der Konstitutionellen Verfassung nicht entnehmen.
Dies wird von ihr vorausgesetzt,”? sodass sich in der konstitutionellen
Staatsrechtslehre der materielle Gesetzesvorbehalt zu einer Streitfrage
entwickelt hat.
Die Konstitutionelle Verfassung von 1862 unterstellt das ganze
Gebiet der Gesetzgebung der Mitwirkung des Landtages. Neben der
Verfassungsgesetzgebung?®® und einigen enumerativ aufgeführten Vor-
behalten?! enthält sie vor allem den allgemeinen Eingriffsvorbehalt,
wonach «ohne Mitwirkung und Zustimmung des Landtages» kein
Gesetz gegeben, aufgehoben, abgeändert oder authentisch erklärt wer-
den darf.32 Die Grenze zwischen Gesetz und Verordnung ist jedoch
insofern offen, als das Gesetz selbst sich auf die Regelung von Grund-
zügen beschränken und das Weitere den Verordnungen überlassen kann.
Dass jeder abstrakte Rechtssatz nur im Wege der Gesetzgebung erlassen
werden dürfe, ist kein Bestandteil des damals geltenden Verfassungs-
rechts. Damit unterliegen alle Gesetze und nicht nur solche, die in die
377 Siehe $ 40 Bst. b KV 1862. Landesfürst Johann II. hat die Verordnung der Regierung
vom 6. November 1919 über die Einführung einer staatlichen Maischesteuer und ei-
ner Ausfuhrtaxe für Branntwein, obwohl sie im Landesgesetzblatt (LGBl. 1919
Nr. 17) publiziert worden war, nicht genehmigt, da ihr die gesetzliche Grundlage
fehlte. In der Begründung hiess es: Es sei nicht tunlich und nicht im Sinne der Ver-
fassung, eine Steuer im Wege einer Verordnung einzuführen. Um diese Angelegen-
heit zu regeln, bedürfe es eines verfassungsmässigen Gesetzes (LLA, RE 1919/5956,
Schreiben der Gesandtschaft Wien an die Regierung vom 4. Dezember 1919. Diese
Akte habe ich freundlicherweise von Rupert Quaderer erhalten).
378 Siehe auch zur Vielfalt von Verordnungsformen Cyrus Beck, Der Vorbehalt des
Gesetzes der liechtensteinischen konstitutionellen Verfassung von 1862, S. 125 ff.
379 Vgl. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 78.
380 Vgl. LGBl. 1918 Nr. 4. In der Einleitungsformel heisst es: «Mit Zustimmung des
Landtages finde Ich anzuordnen, dass an Stelle des sechsten Hauptstückes und des
$ 101 der Verfassungsurkunde vom 26. September 1862 nachstehende Bestimmun-
gen zu treten haben».
381 Vel. etwa $$ 6, 8, 17, 18, 21, 22, 49, 50 und 52 KV 1862.
382 Siehe $ 24 Abs. 1 KV 1862 und dazu $$ 54 und 55 der Verfassung Sigmaringen von
1833; vgl. heute Art. 65 Abs. 1 LV 1921.
383 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 79.
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