Monarchischer Konstitutionalismus
in denen er nach dem Verfassungsentwurf des ständischen Verfassungs-
rates vom 1. Oktober 1848 «entscheidende» Befugnisse inne gehabt
hätte, nur noch Mitwirkungsrechte zugesteht,?® wird der Landtag in sei-
ner verfassungsrechtlichen Position gestärkt. Er tritt dem Fürsten «als
gesetzmässiges Organ» der Gesamtheit der Landesangehörigen gegen-
über. Sie wählen die Abgeordneten, mit Ausnahme der fürstlichen Abge-
ordneten, und beauftragen sie mit der Ausübung der politischen Rechte.
Ein auf solche Weise demokratisch ausgewiesenes Legitimationskonzept
tangiert jedoch die verfassungsrechtliche Stellung des Landesfürsten als
einer «die staatliche Einheit repräsentierende Institution» und kann sie
infrage stellen, wie die konservativen Kreise befürchteten.**! Sie mussten
einsehen, dass sich ihre Opposition gegen die Verfassungsforderungen
der Landstände in manchen Punkten nicht rechtfertigen liess, da ihnen
in der Realität des kleinen Staatswesens «nicht jene existenzielle Bedeu-
tung wie in grossen Staaten zukommen konnte». So hat Justus Timo-
theus Balthasar von Linde die nach seiner Einschätzung «relativ liberale
Verfassung» nicht «aus seinen eigenen Grundsätzen, aber doch aus den
eigentümlichen Verhältnissen des Landes» hingenommen.?* Er hat sich
auch gegen die Institution des Landesausschusses?# ausgesprochen, die
als signifikantes Beispiel für den Machtzuwachs des Landtages steht. Er
hegte Bedenken, dass sich der Landesausschuss zur «zweiten Landesre-
gierung» entwickeln könnte.?5 Der Landesausschuss hat seinen Vorgän-
338 Vgl. etwa die Verantwortlichkeit des Landesverwesers.
339 Hinzuweisen ist auf die Gegenzeichnungspflicht, die zwar nicht alle Regierungsakte
des Fürsten betrifft, sondern nur die Gesetze und Verordnungen ($ 29 KV 1862 und
$ 94 Abs. 2 Amtsinstruktion von 1862). Peter Geiger, Geschichte, S. 281 hält fest,
dass die Konstitutionelle Verfassung von 1862 im Ergebnis «trotz Kompromissen
doch zugunsten der Landstände und damit der demokratischen Tendenz» ausgefal-
len sei.
340 Formulierung nach Foroud Shirvani, Der Abgeordnetenstatus, S. 546.
341 Nach bisheriger Verfassungslage hatte der Landesfürst die Gesamtrepräsentation des
Staatswesens beansprucht, mit dem das revolutionäre Prinzip der Volkssouveränität
im Widerstreit stand. Vgl. Harm-Hinrich Brandt, Repräsentationstheorie, S. 141.
342 Peter Geiger, Geschichte, S. 280.
343 Peter Geiger, Geschichte, S. 281.
344 Siehe $$ 110 ff. KV 1862.
345 Peter Geiger, Geschichte, S. 261; vgl. auch das Gesetz vom 29. Dezember 1895 be-
treffend ergänzende Bestimmungen über den Wirkungskreis des Landesausschusses,
LGBl. 1896 Nr. 2 und Albert Schädler, Landtag, in: JBL Bd. 4 (1904), 5. 42 ff.
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