Volltext: Ein Bürger im Dienst für Staat und Wirtschaft

gegen Newton, die hier nur am Rande, wenn auch in einem wesentlichen Punkt, erörtert wurde, hat er scharfzüngig zum Ausdruck gebracht, obschon er der Person als solcher alle Gerechtigkeit widerfahren liess. Streng naturwissenschaftlich betrachtet hat der Dichter dem Physiker weder etwas Neues entgegensetzen noch ihn widerlegen können. Wo aber Goethe der Farbe als sinnlich-sittlicher Erscheinung, ihren physio- logischen, psychologischen und ästhetischen Wirkungen nachspürt, wo ihn die Frage umtreibt, was Farben, von denen wir so unmittelbar ergrif- fen, ja überwältigt werden können, uns Menschen eigentlich bedeuten, welche Empfindung und welche Erkenntnis wir aus ihrer Anschauung gewinnen können, da steht er, ganz im Sinne seines bipolaren Denkens, als notwendiges Pendant neben Newton. Während der Mensch bei Newton der Schöpfung als Beobachter gegenübertritt, als Subjekt dem Objekt, ist er bei Goethe ein in die Schöpfung eingebundener Teilneh- mer, der Subjekt und Objekt in gegenseitiger Bedingtheit, in ständiger Verschränkung und Durchdringung begreift. Eben deshalb stellt er sei- nen Vierzeiler nach Plotin an den Beginn der 
Farbenlehre: «Wär nicht das Auge sonnenhaft, / Wie könnten wir das Licht erblicken? / Lebt nicht in uns des Gottes eigne Kraft, / Wie könnt uns Göttliches entzü- cken?» Anstatt also zur göttlichen Natur, zur Schöpfung und ihren man- nigfaltigen Erscheinungen wissenschaftlich auf Distanz zu gehen, stellt sich Goethe, mit aller auf empirisches Wissen bedachten Neugier, mitten in sie hinein, um ihre vielfarbige Unermesslichkeit zu erkunden und zu geniessen! Am 21. Mai 1967 sprach der Physiker Werner Heisenberg auf der Hauptversammlung der Goethe-Gesellschaft in Weimar folgende Schlussworte: «Wir werden von Goethe auch heute noch lernen können, dass wir nicht zugunsten des 
einenOrgans, der rationalen Analyse, alle anderen verkümmern lassen dürfen; dass es vielmehr darauf ankommt, mit 
allenOrganen, die uns gegeben sind, die Wirklichkeit zu ergreifen und sich darauf zu verlassen, dass diese Wirklichkeit dann auch das Wesentliche, das ‹Eine, Gute, Wahre› spiegelt.»283 
Goethe –das Auge, die Totalität der Farben und der Begriff der Freiheit
	        

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