Volltext: Ein Bürger im Dienst für Staat und Wirtschaft

greifbare Welt, sondern schliesslich auch die nur mühsam zu erringende, aus dem Licht abgeleitete Idee des Guten, welche, nach Platon, die Ursa- che für alle Schönheit und Wahrheit sei. Einmal mit dem Licht vertraut, verspüre der Mensch keinen Wunsch mehr nach Rückkehr in die Höhle. Vielmehr wolle er immerwährend in Anschauung des Lichtes und somit der Idee des Guten, des Schönen und des Wahren verweilen. Wir erkennen sofort den Unterschied zwischen Platons Höhlen- und Goethes Regenbogengleichnis. Aus der Finsternis kommend schauen zunächst beide, Platons Höhlenbewohner und Goethes Faust, ins Licht der Sonne. Während aber der Mensch bei Platon dem Licht mit seinen Augen standhält, wendet Faust, «vom Augenschmerz durchdrun- gen», der Sonne den Rücken zu und entzückt sich am Anblick der Far- ben des Regenbogens. Zwar erfüllt das Sonnenlicht die grünen Wiesen mit Glanz und Deutlichkeit. Fausts Augen aber ertragen das Licht nur im 
Abglanzder Farben. Mehr noch – menschliches Leben vermag über- haupt nur unter dem Schleier des Trüben und in dem durch ihn erzeug- ten Reich der Farben zu bestehen. Im reinen Licht ist keine Existenz möglich. Ebenso wenig in reiner Finsternis. Wo der Philosoph mit idea- listischem Rigorismus dem Auge die Gewöhnung an das Übermass des Lichtes zumutet, da gewährt der Dichter, mit humanem Sinn für das rechte Mass, dem Auge die Freude an den Farben. Sie allein bilden die dem Menschen zuträgliche Sphäre des Lebens. Wir erinnern uns: Ausgangspunkt für Goethes Beschäftigung mit den Farben ist seine Frage nach den Gesetzen ihrer ästhetischen Anwen- dung in der Malerei. Und dorthin kehrt er im Schlusskapitel seiner 
Far- benlehrewieder zurück, denn der Maler steht für ihn, wie er schon 1793 schreibt, «höher als alle, die sich mit Farben beschäftigen», insofern er sie für den edlen Sinn des Auges zu ästhetischen Zwecken verwende. Das Ästhetische aber umschliesst das Stoffliche und das Geistige, das Sinnliche 
unddas Sittliche; es umschliesst den ganzen Menschen mit sei- ner Fähigkeit zur Anschauung und zum Denken und somit zur Schaf- fung von Bildern und Ideen. Maler wie Turner und Runge, Kandinsky, Klee und Feininger, aber auch Philosophen und Phänomenologen wie Hegel und Schelling, Conrad-Martius und Wittgenstein fühlten sich die- ser Überzeugung, ja Goethes 
Farbenlehreinsgesamt, teils innigst, teils kritisch zugeneigt. Tiefgreifender und umfassender als Goethe hat sich bis heute wohl niemand über das Phänomen Farbe zu Wort gemeldet. Seine Abneigung 282Uwe Wieczorek
	        

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