Volltext: Ein Bürger im Dienst für Staat und Wirtschaft

Lichte und von dem, was sich ihm entgegenstellt, hervorgebracht werde.» Wert und Würde macht Goethe dort geltend, wo die Urphäno- mene, wo das Licht und die Farben allein auf mess- und quantifizierbare Eigenschaften reduziert und schliesslich zu sekundären Qualitäten degradiert werden. So gelten Ausdehnung, Grösse, Gestalt, Bewegung etc. nach Galilei, Locke und Newton als primäre, d.h. als objektive Qua- litäten eines Gegenstandes; Farbe, Geruch, Geschmack, Temperatur etc. dagegen als sekundäre, d. h. als subjektive Qualitäten. Goethe aber misst gerade den sogenannten sekundären Eigenschaften für das Selbstver- ständnis des Menschen und seiner Orientierung in der Welt eine primäre Bedeutung bei. So anerkennend der Dichter sich in seinem historischen Teil 
derFarbenlehreüber den Menschen und Physiker Newton auch geäussert hat – der Vorherrschaft einer auf dessen Fundament errichte- ten Überzeugung, in der Natur sei alles nach Mass, Zahl und Gewicht geordnet, stellt er ergänzend 
seineSicht der Dinge zur Seite, die wesent- lich auf «der Anschauung, der Phantasie, dem Gefühl, der Ahnung, der Intuition und der dichterischen Eingebung» (Theda Rehbock) basiert. Durch die Vehemenz, mit der Goethe, vor allem im polemischen Teil der 
Farbenlehre, seine Argumente gegenüber Newton und dessen Nachfolgern vertritt, mag der Eindruck entstehen, er verweigere sich den aufklärerischen Leistungen der Naturwissenschaften. Dies ist nicht der Fall. Goethe sucht stets das Gespräch mit Naturwissenschaftlern, etwa mit Alexander von Humboldt oder Georg Christoph Lichtenberg, die freilich kritisch zu ihm auf Distanz bleiben. Er experimentiert schliesslich selbst empirisch-naturwissenschaftlich. Und doch verlässt ihn, bei aller Freude an Wissen und Erkenntnis, niemals die Skepsis gegenüber den Methoden, die zu ihrer Erlangung notwendig sind. So besitzt er zwar zahlreiche Apparate und optische Instrumente, zugleich aber auch eine intuitive Abneigung gegen sie, denn, so der Dichter, «des Menschen äußerer Sinn wird dadurch mit seiner inneren Urteilsfähigkeit außer Gleichgewicht gesetzt». Die Gefährdung dieses Gleichgewichts, den drohenden Riss zwischen äusserem Sinn und innerer Urteilsfähig- keit erkennt Goethe letztlich als Dilemma des modernen Menschen. Nur bei 
unvermittelter Betrachtung der (Ur-) Phänomene tritt die Natur dem Menschen in einer seinen Sinnen angemessenen Anschaulichkeit gegen- über, in Bildern, die er durch Denken zur Idee emporzuheben vermag – zur Idee von der Schöpfung, von seiner Stellung in der Welt, von der Zeit, von Gott. In der vierten und fünften Strophe seines Gedichtes 
Ver- 278Uwe Wieczorek
	        

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