Volltext: Ein Bürger im Dienst für Staat und Wirtschaft

durch welches der Geist entweder nach der Licht- oder Schattenseite hinsieht.» Wir erkennen den besonderen Rang, den das Trübe im Den- ken des Dichters einnimmt, denn ohne dieses bestünden lediglich iso- lierte Extreme, unvermittelte Gegensätze. Das Trübe ermöglicht weiche, fliessende Übergänge zwischen den Gegensätzen und somit die ganze Vielfalt des Spektrums – im wörtlichen wie auch im übertragenen Sinne. Wo Goethe von Licht und Finsternis spricht, in engstem Zusam- menhang damit auch von trüben Mitteln und Farben, da spricht er von «Urphänomenen», von Erscheinungen, über oder hinter denen sich kein Letztes mehr zu erkennen gibt. Urphänomene sind für ihn nicht ableit- bar, sehr wohl aber lasse sich aus ihnen etwas ableiten. Und so ruft er den Naturforschern zu, die Urphänomene «in ihrer ewigen Ruhe und Herr- lichkeit» stehen zu lassen, da man doch hier «die Grenze des Schauens» eingestehen sollte. Eckermann, seit 1823 Goethes ständiger Gesellschaf- ter, Mitarbeiter und Herausgeber des Nachlasses, berichtet von einem Gespräch mit dem einundachtzigjährigen Dichter am 23. Februar 1831, in welchem dieser von «der hohen Bedeutung der Urphänomene» sprach, da man hinter ihnen «unmittelbar die Gottheit zu gewahren glaube». Wie nun die Naturforscher insbesondere dem Licht, diesem erhabensten aller Urphänomene, zu Leibe rückten, das provoziert Goe- thes heftigsten Widerspruch. Über den englischen Physiker Isaac Newton und dessen Theoriebildung zur Optik (1704) führt er aus: «Newton behauptet, in dem weißem farblosen Lichte überall, besonders aber in dem Sonnenlicht, seien mehrere verschiedenfarbige Lichter wirk- lich enthalten ... Damit nun diese bunten Lichter zum Vorschein kom- men sollen, setzt er dem weißem Licht gar mancherlei Bedingungen ent- gegen: vorzüglich brechende Mittel, welche das Licht von seiner Bahn ablenken; ... er beschränkt das Licht durch kleine Öffnungen, durch winzige Spalten, und nachdem er es auf hunderterlei Art in die Enge gebracht, behauptet er, alle diese Bedingungen hätten keinen anderen Einfluß, als die Eigenschaften, die Fertigkeiten des Lichts rege zu machen, so daß sein Inneres aufgeschlossen und sein Inhalt offenbart werde.» Goethe fährt fort: «Die Lehre dagegen, die 
wirmit Überzeu- gung aufstellen, beginnt zwar auch mit dem farblosen Lichte, sie bedient sich 
auchäußerer Bedingungen, um farbige Erscheinungen hervorzu- bringen; sie gesteht aber diesen Bedingungen Wert und Würde zu. Sie maßt sich nicht an, Farben aus dem Licht zu entwickeln, sie sucht viel- mehr durch unzählige Fälle darzutun, daß die Farbe zugleich von dem 277 
Goethe –das Auge, die Totalität der Farben und der Begriff der Freiheit
	        

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