Volltext: Ein Bürger im Dienst für Staat und Wirtschaft

malerischen Augen betrachteten, konnten damit sehr zufrieden sein; denn bei Sonnenuntergang genossen wir des herrlichsten Anblicks, den uns die ganze Reise gewährt hatte. In dem glänzendsten Farbenschmuck lag Kap Minerva mit den daranstoßenden Gebirgen vor unseren Augen, indes die Felsen ... schon einen bläulichen Ton angenommen hatten ... Der Vesuv war uns sichtbar, eine ungeheure Dampfwolke über ihm auf- getürmt ... Links lag Capri, steil in die Höhe strebend; die Formen sei- ner Felswände konnten wir durch den durchsichtigen bläulichen Dunst vollkommen unterscheiden. Unter einem ganz reinen, wolkenlosen Himmel glänzte das ruhige, kaum bewegte Meer...». Seinen «maleri- schen Augen» zum Trotz verhilft die Italienreise Goethe auch noch zu einer weiteren Einsicht, nämlich allein zum Dichter, nicht auch zum bil- denden Künstler berufen zu sein, sich beschränken zu müssen auf die eigentliche Begabung – ein wesentlicher Gedanke seines 
Wilhelm Meis- ter–, und mit der Kunst allein als Betrachter, Denker und Liebhaber Umgang pflegen zu können. Aus Italien über Vaduz und Feldkirch nach Weimar zurückgekehrt, studiert er den Malereitraktat von Leonardo da Vinci und beginnt bald schon, ab 1790, seine systematische, sowohl praktische als auch theoretische und von höchster Leidenschaft durch- drungene Beschäftigung mit der Farbe, mit diesem, wie er es nennt, «ele- mentaren Naturphänomen für den Sinn des Auges». Das Auge ist der natürliche Ausgangspunkt seiner Überlegungen zur Farbe, und die «physiologischen Farben» bilden daher die erste Abteilung seiner 
Farbenlehre. Das Auge habe, so Goethe, sein Dasein dem Licht zu danken. «Aus gleichgültigen tierischen Hilfsorganen ruft sich das Licht ein Organ hervor, das seinesgleichen werde, und so bildet sich das Auge am Lichte fürs Licht, damit das innere Licht dem äußeren entgegentrete.» Der Gedanke, dass dem Auge ein Licht innewohne, das mit dem von aussen kommenden korrespondiere, ist altgriechischen (ionischen) Ursprungs und basiert auf der Überzeugung, dass Gleiches nur von Gleichem wahrgenommen werden könne. Einer Definition, was Licht und Farbe ihrem Wesen nach sind, enthält sich der Dichter nach- drücklich mit folgendem Hinweis: «Denn eigentlich unternehmen wir umsonst, das Wesen eines Dinges auszudrücken. Wirkungen werden wir gewahr, und eine vollständige Geschichte dieser Wirkungen umfaßte wohl allenfalls das Wesen jenes Dinges.» So beschränkt sich Goethe gleich schon im Vorwort seiner 
Farbenlehreauf die Aussage, dass Far- ben die «Taten und Leiden des Lichtes» seien. Erneut nimmt Goethe 274Uwe Wieczorek
	        

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