Volltext: Ein Bürger im Dienst für Staat und Wirtschaft

See. Den Abstieg vom Brocken an einem Dezemberabend im Jahre 1777 beschreibt er mit folgenden Worten: «Waren den Tag über, bei dem gelb- lichen Ton des Schnees, schon leise violette Schatten bemerklich gewesen, so mußte man sie nun für hochblau ansprechen, als ein gesteigertes Gelb von den beleuchteten Teilen widerschien. Als aber die Sonne sich endlich ihrem Niedergang näherte und ihr durch die stärkeren Dünste höchst ge- mäßigter Strahl die ganze mich umgebende Welt mit der schönsten Pur- purfarbe überzog, da verwandelte sich die Schattenfarbe in ein Grün, das nach seiner Klarheit einem Meergrün, nach seiner Schönheit einem Sma- ragdgrün verglichen werden konnte. Die Erscheinung ward immer leb- hafter, man glaubte sich in einer Feenwelt zu befinden, denn alles hatte sich in die zwei lebhaften und so schön übereinstimmenden Farben ge- kleidet, bis endlich mit dem Sonnenuntergang die Prachterscheinung sich in eine graue Dämmerung und nach und nach in eine mond- und stern- helle Nacht verlor.» Das ist schönste und bereits ganz «impressionis- tisch» anmutende Naturbeschreibung, insbesondere die auf dem Simul- tankontrast beruhende Wahrnehmung farbiger Schatten. Und schon hier sind im Keim jene Begriffe angelegt, die in Goethes späterer 
Farbenlehre höchste Bedeutung erlangen werden: Polarität und Steigerung. Am 8. Oktober 1786, während seiner italienischen Reise, hält er folgenden, in Venedig gewonnenen Eindruck fest: «Als ich bei hohem Sonnenschein durch die Lagunen fuhr und auf den Gondelrändern die Gondoliere, leicht schwebend, buntbekleidet, rudernd, betrachtete, wie sie auf der hellgrünen Fläche sich in der blauen Luft zeichneten, so sah ich das beste, frischeste Bild der venezianischen Schule. Der Sonnen- schein hob die Lokalfarben blendend hervor, und die Schattenseiten waren so licht, daß sie verhältnismäßig wieder zu Lichtern hätten dienen können. Ein Gleiches galt von den Widerscheinen des meergrünen Was- sers. Alles war hell in hell gemalt, so daß die schäumende Welle und die Blitzlichter darauf nötig waren, um das Tüpfelchen aufs i zu setzen.» Es scheint, als beschreibe Goethe ein Gemälde Claude Monets, der Venedig 76 Jahre nach dem Tod des Dichters besuchte. Und tatsächlich geht einer solchen Wahrnehmung die Begegnung mit Malerei, eben venezianischer Malerei voraus, denn es entspreche, wie er schreibt, ganz seiner alten Gabe, die Welt mit den Augen desjenigen Malers zu sehen, dessen Bilder er sich gerade eben eingeprägt hat. Dieser Maler heisst Paolo Veronese. An einem im Palazzo Pisani Moretta gesehenen Gemälde dieses Renais- sancemeisters fallen ihm die kunstreiche Verteilung von Licht und Schat- 272Uwe Wieczorek
	        

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