jetzige Amtsinhaber Ban Ki-Moon kommen aus grösseren und politisch bedeutenderen Staaten. Ähnlich sieht die Situation bei den Präsidenten der UNO-Generalversammlung aus: Mit einer Ausnahme (Libyen) stammten die letzten sechzehn Präsidenten ausnahmslos aus Kleinstaa- ten.16Liechtenstein stellte zwar (noch) nie einen Präsidenten der Gene- ralversammlung, aber UNO-Botschafterin Claudia Fritsche schaffte es immerhin zur Vizepräsidentschaft während der 48. Generalversamm- lung. Ihr Nachfolger Christian Wenaweser hatte ausserhalb der UNO eine vergleichsweise hohe Funktion inne. Er präsidierte nämlich von 2008 bis 2011 drei Jahre lang die Vertragsstaatenversammlung des Inter- nationalen Strafgerichts (ICC) mit viel Erfolg. Dass mit Botschafter Wenaweser nicht nur eine äusserst fähige, sondern auch eine sehr initia- tive Persönlichkeit dieses wichtige Organ präsidierte, war ein Glücksfall. In der UNO wäre dies wohl schwieriger gewesen. Die Mächtigen unter den UNO-Mitgliedern bevorzugen nämlich nicht zuletzt deshalb Ver- treter aus kleineren Staaten für höchste Ämter, weil sie erfahrungsgemäss weniger zu eigenständigen Ambitionen neigen und besser zu beeinflus- sen bzw. zu kontrollieren sind. Immerhin haben die Grossmächte die Rechnung auch schon ohne den Wirt gemacht: Das Beispiel des ehema- ligen UNO-Generalsekretärs Kofi Annan zeigt, dass die Erwartung, wonach Kleinstaatlichkeit Gefügigkeit bedeutet, keineswegs den Tatsa- chen entsprechen 
muss. Was bringen Kleinstaaten den Vereinten Nationen? Kleinstaaten ziehen aber nicht nur Nutzen aus den Vereinten Nationen, etliche tragen auch viel Positives zur multilateralen Tätigkeit bei. Sie sind oft Initianten oder Impulsgeber von Ideen. Verschiedene zeichnen sich durch wertorientiertes Handeln aus, sie engagieren sich für institutio- nelle Reformen, Gouvernanzfragen und ganz allgemein für ein besseres Funktionieren der UNO. Schliesslich sind sie häufig als Mittler, Fazili- tatoren oder Brückenbauer geschätzt. 120Paul 
Seger 16Paul Luif, Kleinstaaten in der UNO, In: Der Kleinstaat als Akteur in den interna- tionalen Beziehungen, Liechtenstein Politische Schriften, Band 39, 2004, S. 259 (vgl. Tabelle 1, S. 258).