Volltext: Prozessökonomie in der liechtensteinischen Zivilprozessordnung von 1912

voller Berufung zeige sich weniger am Berufungsverfahren selbst. Viel- mehr wirke beim ersteren die beschränkte Berufung derart auf das erst- instanzliche Verfahren, dass der Zivilprozess insgesamt prozessökono- mischer ausfalle. Denn wenn die Parteien und Anwälte bereits vor der Erstinstanz sorgfältig und nach Kräften vollständig sämtliche Tatsachen und Beweise vortragen, weil sie ansonsten Gefahr laufen, sie in der Beru- fung nicht mehr vorbringen zu können, verhindert die beschränkte Berufung dadurch Verzögerungen und taktische Verschleppungen. Dabei bestätigten Erhebungen, dass eine beschränkte Berufung nicht zwangsläufig Urteile nach sich ziehe, die der materiellen Wahrheit zuwi- derlaufen. Überdies legten Erhebungen ebenso nahe, dass eine Wieder- holung des Verfahrens vor der Berufungsinstanz «meist zum Nachteil der wirtschaftlich schwächeren Partei»42 geschehe.43 Delle-Karth zog schliesslich folgende prozessökonomische Kon- klusion: «Im besonderen Masse gelten diese Erwägungen für das Fürsten- tum Liechtenstein, das die österr[eichische] Zivilprozessordnung rezipierte. Deren Neuerungsverbot hat sich als tragendes funktio- nales Element eines 
schleunigen und kostengünstigen und damit eines ökonomisch ebenso effizienten wie sozial gerechten Zivilpro- zesses erwiesen. Die in Liechtenstein erfolgte Aufpfropfung der Neuerungszulässigkeit auf das in den Grundzügen unverändert gebliebene Berufungsverfahren der [österreichischen Zivilprozess- ordnung] begründet nach meinem Dafürhalten zweifellos eine 
Sys- temwidrigkeit, die 
verfahrensverzögernde und kostensteigernde Auswirkungen hat. [...] Eine Neuerungserlaubnis für in erster Instanz unvertretene Parteien und ein Neuerungsverbot nach österr[eichischem] Muster für jene überwiegende Mehrzahl von Prozessen, die erstinstanzlich durch [Rechtsanwälte] geführt wer- den, wäre [meines Erachtens] eine 
massgeschneiderte Lösung für den liechtensteinischen Zivilprozess mit allen dargestellten positi- ven Konsequenzen.»44 494§ 
11 Weiterentwicklungen 1916 bis 1924 42Delle-Karth, S.41. 43Zum vorangehenden Absatz Delle-Karth, S.40f.m. w. N., der unter anderem auf Böhm, Neuerungsverbot, S.239f.und S.243f., verweist. 44Delle-Karth, S.41, Hervorhebungen E. S.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.