Volltext: Prozessökonomie in der liechtensteinischen Zivilprozessordnung von 1912

Im Gegensatz zum (einwandfreien) zweckgemässen und zweckdienli- chen, aber auch im Gegensatz zum zwecklosen Handeln235 wirkte somit laut Klein das zweckwidrige Handeln, der Missbrauch, zugunsten der Rechtsentwicklung. Sobald sich nämlich konkrete Typen des Miss- brauchs herausgebildet hatten, die häufig auftraten und faktisch die Zivilprozesse und deren Zwecke beeinträchtigten, war dies Grund und Anlass für den Gesetzgeber, Abhilfe zu schaffen. Entweder wurden bestehende Vorschriften verschärft, ergänzt, ihre Verwirklichung in praxi auf anderem Wege sichergestellt oder es bedurfte neuer Vorschrif- ten oder gar einer umfassenden Reform des Zivilprozesses, um dem Missbrauch Einhalt zu gebieten. Während sehr wohl auch blosse Nach- lässigkeit der Parteien zu bekämpfen war und dagegen Vorschriften vor- zusehen waren, wardie Bekämpfung von Missbrauch als gezielt zweck- widrige Verwendung zivilprozessualer Einrichtungen aber viel dringli- cher.236 Klein bemerkte zwar, dass auf dem Gebiet des Zivilprozessrechts das Missbrauchsphänomen «leider» allgegenwärtig ist und sich immer wieder einstellt, er beurteilte es jedoch nicht (zumindest nicht aus- schliesslich) als negativ, sondern als neutrales, zuweilen hilfreiches Fak- tum. Denn der überhandnehmende Missbrauch zwang den Gesetzgeber zwar zum Tätigwerden, half ihm aber zugleich insofern, als er ihm nicht nur Grund und Anlass gab, einzugreifen, sondern anhand des zweck- widrigen Verhaltens darüber hinaus anzeigte, wo und wie er ansetzen musste, um derartigen Missbrauch künftig zu verhindern. Solche kon- kreten Ansatzpunkte erleichterten dem Gesetzgeber sein Eingreifen. Das Missbrauchsphänomen, welches laut Klein unauslöschbar im «Egoismus der Parteien» wurzelte, stellte sich «überall wiederholen[d]» ein. Ungeachtet dessen, wie präventiv, sorgfältig und gezielt der Gesetz- geber in der Zivilprozessordnung Missbrauch zu verhindern beabsich- tigte und sich bemühen mochte, würde parteiseitiger Missbrauch «natur- gemäss» und «allmählich» auftreten, wodurch der Gesetzgeber erneut gefordert sein würde, dagegen zu legiferieren. Die Bedingung für Miss- brauch war somit keine konditionale (falls), sondern nur eine zeitlich aufschiebende (sobald); je besser es dem Gesetzgeber aber gelang, aufge- tretenen Missbrauch zu unterbinden, neuen Missbrauch zu antizipieren 455 
III. Prozessökonomische Leitgedanken 235Siehe oben unter §  9/III./3./d). 236Vgl. Klein, Zivilprozeß, S.254.
	        

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