Volltext: Prozessökonomie in der liechtensteinischen Zivilprozessordnung von 1912

(2) 
Gestand die Gegenpartei eine Tatsachenbehauptung 
ausdrück- lich zu, so entfiel ein Beweiserfordernis für sie bzw. es erübrigte sich zumindest insofern, wie sie zugestanden wurden («Ausdrücklich [...] zugestandene Tatsachen bedürfen keines Beweises.»). (3) Falls auf eine Tatsachenbehauptung von Seiten der 
Gegenpartei nichts erwidert wurde, das heisst, wenn sie sie weder ausdrücklich bestritt noch ausdrücklich zugestand («weder ausdrücklich [...] zuge- standen wurden»), verblieb ein Zweifel: Wurde der betreffenden Behauptung damit allenfalls stillschweigend widersprochen oder wurde sie im Gegenteil stillschweigend zugestanden? Die neuen Vorschriften der Novellierung bestimmten für diese Variante einen Grundsatz und eine Ausnahme. (a) 
Grundsätzlich galten von Gesetzes wegen Tatsachenbehauptun- gen, auf die nichts erwidert wurde, als stillschweigend widersprochen und demgemäss traf die behauptende Partei eine Beweispflicht («Eine ausdrückliche und besondere Widersprechung der einzelnen, von der Gegenseite behaupteten Tatumstände ist zur Begründung der Beweis- pflicht nicht erforderlich und daher als überflüssig zu vermeiden.»).27 Auch hier griffen die zwei einschränkenden Voraussetzungen der Beweispflicht ein, das heisst, sie bestand nur, positiv (aa) wenn und inso- fern die betreffenden Tatsachen entscheidrelevant waren und negativ (bb) wenn es sich nicht um gerichtsnotorische Tatsachen handelte. (b) 
Ausnahmsweise konnten Tatsachenbehauptungen, zu denen sich die Gegenseite nicht äusserte, als stillschweigend zugestanden 
gelten («stillschweigend zugestanden wurden»); vorausgesetzt war, dass 
auf- grund «sorgfältiger» gerichtlicher Würdigung entschieden wurde, ob und inwiefern eine Tatsachenbehauptung als zugestanden zu gelten hatte.(«Inwieweit ohne ausdrückliches Zugeständnis Tatsachen als zuge- standen anzusehen sind, hat das Gericht unter sorgfältiger Würdigung des gesamten Vorbringens zu beurteilen.»). Kam das Gericht zum Schluss, dass eine Tatsachenbehauptung gänzlich (oder in gewissem Umfang) als zugestanden zu erachten war, entfiel (insoweit) eine Beweispflicht («stillschweigend zugestandene Tatsachen bedürfen keines Beweises»).301 
I. Änderung Allgemeine Gerichtsordnung 1906 27Vgl. Schädler, 1912–1919, S.16.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.