Volltext: Prozessökonomie in der liechtensteinischen Zivilprozessordnung von 1912

Der 
dreistufige liechtensteinische Instanzenzug in (Straf- sowie) Zivil sachen gestaltete sich aus prozessökonomischer Sicht seit 1818 somit folgendermassen: Nur die erste Instanz lag mit dem Vaduzer Oberamt, das zugleich die Regierungsbehörde darstellte, im Fürstentum Liechtenstein selbst. Die zweite Instanz der fürstlichen Hofkanzlei (in der Funkion eines Appellationsgerichts) sowie die dritte Instanz des Innsbrucker Oberlandesgerichts lagen im – wohlgemerkt – weit entfern- ten Ausland. Sie auferlegten den liechtensteinischen Rechtsuchenden, sofern diese vor die Rechtsmittelinstanzen zu gelangen gedachten, die Bürde grossen Zeit-, Kosten- und Arbeitsaufwandes. Die infolge der geographischen Entfernung der Rechtsmittelgerichte daher fast zwangs- läufig als heimlich und schriftlich (anstatt öffentlich und mündlich) aus- gestalteten Rechtsmittelverfahren vermochten diese prozessökonomi- schen Nachteile nicht abzuschwächen. Vielmehr verstärkten sie zusätz- lich die prozessökonomischen Nachteile noch um all jene, die gewöhnlicherweise mit schriftlich-geheimen Verfahren einhergehen: weitläufige Schriftsätze, höhere Prozesskosten, Langwierigkeit des Ver- fahrens, Unvorhersehbarkeit der Entscheidung, fehlendes Verständnis der Rechtsunterworfenen für das Urteil und gesamthaft mangelnde pro- zessuale Rechtssicherheit. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beliefen sich für das Fürs- tentum Liechtenstein die Kosten für liechtensteinische Rechtsprechung am (damals noch nicht als Oberlandesgericht bezeichneten) Appellati- onsgericht in Innsbruck jeweils etwa auf 300 fl pro Jahr.22 Im liechten- steinischen Staatshaushalt machte das lediglich einen geringfügigen Pos- ten aus.23 Was die 
damalige prozessökonomische Rechtswirklichkeit der Rechtsprechung an der dritten Instanz in Innsbruck betrifft, muss fest- gehalten werden: «Die Arbeitsbelastung der Revisionsinstanz [das heisst des Innsbru- cker Oberlandesgerichts in dritter Instanz, E. S.] hielt sich allerdings in überschaubaren Grenzen, vor allem deshalb, weil sich der 
Rechts- zug beschwerlich und zeitaufwendig gestaltete und die 
Parteien sich Verfahren über mehrere Instanzen kaum leistenkonnten.»24 274§ 
6 Vorläufer 1812 bis 1905 22Schädler, Entwicklung, S.20. 23Vgl. Ospelt, Anhang, S.234f.[Anhang Nr. 76: b) Ausgaben, Spalten 1) und 3)]. 24Berger, Rezeption, S.25f., Hervorhebungen E. S., wortgleich S.218; ebenfalls wort- gleich Berger, Einfluss, S.266.
	        

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