Volltext: Prozessökonomie in der liechtensteinischen Zivilprozessordnung von 1912

tischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anschauungen der Bevölkerung und mit dem Charakter der übrigen territorialen Rechts- einrichtungen am Besten geboten werden kann.»22 Die autonome Nach- bildung zivilprozessualer Regelungen, die solch sorgfältige Überle - gungen voraussetzt, erfordert Kenntnis der nationalen Gegebenheiten einerseits in sachlicher, andererseits aber auch in personeller, organisato- rischer Hinsicht.23 Letzteres betonte Franz Klein wie allenthalben so auch bezüglich der Rezeption, nämlich dass nicht ausschliesslich auf die Verfahrensordnung zu achten und sich allein auf sie zu verlassen sei, sondern stets auch die sie anwendenden zivilprozessualen Akteure sowie die Justizpflege im rezipierenden Staat zu berücksichtigen seien.24 Im Falle Liechtensteins zu damaliger Zeit sollte es zum Beispiel die Rezep- tion im Zivilverfahrensrecht massgeblich bestimmen, dass das Landge- richt aus nur einem einzigen Landrichter bestand und alle im Fürsten- tum Liechtenstein forensisch tätigen Anwälte aus Österreich stammten und üblicherweise dort tätig waren.25 Eine gelingende Rezeption setzt nach Klein folglich zuweilen – und für den Fall des Kleinstaates Liechtenstein zwangsläufig – voraus, dass den Usanzen Zugeständnisse gemacht werden, um eine zivilprozes- suale Vorschrift und die Zivilprozessordnung insgesamt lebensfähig zu machen. Mag sie andernorts unter anderen Umständen noch so erfolg- reich sein, darin liegt keine Garantie, dass sie es ebenso auch als unver- änderte Rezeption sein würde.26 Vorkehrungen zwecks Anpassung der Rezeptionsvorlage an die nationalen Verhältnisse und somit zwecks deren «gesellschaftlich-praktischen Güte»27 sind daher unabdingbar. Denn, wie Klein mahnte: «Man kann nicht darauf warten, bis sich Men- schen und Dinge dem Prozeßrechte zuliebe völlig verwandeln, darum muß beim Zuschnitte mancher Institute den territorialen Verhältnissen etwas nachgegeben werden.»28 260§ 
5 Prozessökonomischen Rezeptionsvorlage 22Klein, Référé, S.147. 23Vgl. Klein, Référé, S.139; Klein, Zivilprozeß, S.3. 24Vgl. Klein, Rechtsannäherung, S.979; siehe auch unten unter §  9/III./4./a). 25Siehe unten unter §  6/I./11. und §  8/I./3./b). 26Vgl. Klein, Bericht, S.71; Klein, Rechtsannäherung, S.977; Klein, Zivilprozeß, S.136. 27Klein, Zivilprozeß, S.3. 28Klein, Mündlichkeitstypen, S.5.
	        

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