Volltext: Prozessökonomie in der liechtensteinischen Zivilprozessordnung von 1912

rens überhaupt noch nicht existierten oder vorlagen und somit damals überhaupt noch nicht hätten aufgenommen werden können. Das Wie- deraufnahmeverfahren sollte mittels nachträglicher Aufnahme solchen Vorbringens Ungerechtigkeiten abfedern. Denn in Fällen, wo Vorbrin- gen unverschuldeterweise erst nach Abschluss des erstinstanzlichen Ver- fahrens möglich wurden, wären sie aufgrund der bloss beschränkten Berufung in zweiter Instanz271 nicht beachtet worden. In zweiter Instanz war nämlich grundsätzlich das, was nicht bereits in erster Instanz einge- bracht worden war, unbeachtlich. Die Wiederaufnahme sorgte deshalb dafür, dass solches Vorbringen zugunsten der Erforschung der materiel- len Wahrheit nachträglich in das erstinstanzliche Verfahren aufgenom- men werden konnte.272 (3) In 
allen übrigen Fällen, wo im erstinstanzlichen Verfahren Vor- bringen der Parteien infolge irgendwelchen Verschuldens vom Gericht zurückgewiesen und dadurch präkludiert worden war, war eine Wieder- aufnahmsklage versagt. Sie war vielmehr «nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande [gewesen] war, [...] die neuen Thatsachen oder Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche das Urtheil erster Instanz erging, geltend zu machen» (§ 530 Abs. 2 Ö-CPO). Verschulden umfasste hierbei das ganze Spektrum von mutwilliger Absicht der Prozessverschleppung bis hin zu blosser Fahr- lässigkeit wie Nichtvorbringen aus 
Nachlässigkeit.273 Klein kritisierte zwar, dass mit dem Erfordernis fehlenden Ver- schuldens für das Wiederaufnahmeverfahren das Augenmerk hauptsäch- lich auf das parteiseitige Verschulden gerichtet wurde.274 Richtigerweise und als einfacheres Tatbestandselement hätte seines Erachtens allein massgeblich sein sollen, ob eine Berücksichtigung des zurückgewiesenen Vorbringens in der Hauptsache für die Partei offenbar zu einem günsti- geren Urteil geführt hätte, unbesehen eines allfälligen Verschuldens.275 Allerdings scheint die Kombination beider Voraussetzungen, das heisst sowohl der Erheblichkeit im Hinblick auf eine Änderung des Urteils als 172§ 
4 Prozessökonomische Mechanismen 271Siehe unten unter §  4/I./17./a). 272Zum vorangehenden Absatz Klein, Bemerkungen CPO, S.370; Klein, Zivilprozeß, S.278f., S.464 und S.467. Siehe auch Böhm, Neuerungsverbot, S.246f. 273Klein, Bemerkungen CPO, S.369f. 274Vgl. Klein, Zivilprozeß, S.271. 275Klein, Bemerkungen CPO, S.261; Klein, Zivilprozeß, S.271.
	        

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