Volltext: Beiträge zum liechtensteinischen Recht aus nationaler und internationaler Perspektive

Nach Stand der Diskussion verlangt Art. 46 Abs. 1 EMRK sowohl nach Rechtsprechung des EGMR als auch nach herrschender Lehre nicht, dass die Wiederaufnahme eines Verfahrens stattfindet, wenn ein Urteil des EGMR eine Konventionsverletzung feststellt.91De lege lata besteht also keine Verpflichtung zur Wiederaufnahme innerstaatlicher Verfah- ren. Es ist dem Staatsgerichtshof aber darin zuzustimmen, dass das Ergebnis des Fehlens eines Wiederaufnahmeverfahrens für diejenigen Fälle unbefriedigend ist, in denen die Wiederaufnahme zur Abhilfe einer EMRK-Verletzung erforderlich ist. Es erscheint de lege ferenda wün- schenswert, für solche Fälle Regelungen zur Wiederaufnahme eines Ver- fahrens in die liechtensteinischen Prozessordnungen aufzunehmen. Es ist aber wohl nicht geboten, dass der Gesetzgeber für sämtliche Verfah- ren (etwa: die Zivilprozessordnung, das Ausserstreitverfahren, die Straf- prozessordnung, das Landesverwaltungspflegegesetz) einen einheitli- chen Wiederaufnahmetatbestand schaffen müsste. Lediglich für das Strafverfahren und Verwaltungsstrafverfahren drängt sich die Wieder- aufnahme eines formell und materiell rechtskräftig abgeschlossenen Ver- fahrens auf. Aufgrund der Schwere der Sanktion erfordert das Interesse des Betroffenen, dass das Verfahren in diesen Fällen erneuert wird. Als Massstab kann die Empfehlung Nr. R (2000) 2 des Ministerkomitees die- nen.92Demnach ist die Wiederaufnahme eines Verfahrens vorzusehen, wenn die verletzte Partei wegen der innerstaatlichen Entscheidung wei- terhin an sehr schwerwiegenden Folgen leidet, die mit der gerechten Entschädigung nicht behoben werden können, und aus dem Urteil des Gerichtshofs hervorgeht, dass die angefochtene innerstaatliche Entschei- dung entweder materiell im Widerspruch zur EMRK steht oder die fest- gestellte Verletzung auf schwerwiegende Verfahrensfehler oder Verfah- rensmängel zurückgeht, sodass ernsthafte Zweifel am Ausgang des ange- fochtenen innerstaatlichen Verfahrens bestehen. Der Staatsgerichtshof hatte bisher noch keinen Antrag auf Wieder- aufnahme eines Strafverfahrens zu beurteilen, nachdem ein rechtskräftig Verurteilter erfolgreich eine Beschwerde an den EGMR geführt hätte.93 99 
Innerstaatliche Durchsetzung der Entscheidungen des EGMR 91 Vgl. dazu S. 85 ff. 92 Vgl. dazu Fussnote 54. 93 Die Entscheidung StGH 2011/133 betraf hingegen einen Antrag auf Wiederauf- nahme des Strafverfahrens gegen einen Landrichter durch die Beschwerdeführer als
	        

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