Volltext: Beiträge zum liechtensteinischen Recht aus nationaler und internationaler Perspektive

Strafmilderungsgrund vor, wenn das gegen den Täter geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismässig lange gedauert hat.85Dieser Strafmilderungsgrund kann auch bei Vorliegen einer formell und materiell rechtskräftigen Ent- scheidung nachträglich berücksichtigt werden.86Zudem ist denkbar, im Strafrecht und im Verwaltungsstrafrecht bei geringer Schuld des Betrof- fenen die überlange Verfahrensdauer als Verfahrenshindernis anzusehen, sodass das Verfahren einzustellen ist.87Das hauptsächliche Problem besteht nach Ansicht des Verfassers darin, dass in Strafverfahren, in 96Hugo 
Vogt 85 Dieser spezielle Strafmilderungsgrund wurde durch LGBl. 2006/100 in das Strafge- setzbuch eingefügt. Im BuA Nr. 99/2005, S. 73 f. heisst es dazu: «Nimmt [...] die Dauer des Strafverfahrens ein Ausmass an, das als ‹unangemessen› anzusehen ist, so kann der Beschuldigte bei der Europäischen Kommission und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde führen und auch eine ‹gerechte Ent- schädigung› nach Art. 50 EMRK beanspruchen, doch kann nach derzeitiger liech- tensteinischer Rechtslage daraus kein Anspruch auf Strafmilderung oder gar auf Einstellung des Verfahrens oder Freispruch abgeleitet werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass ein längeres Wohlverhalten zwischen Tat und Verurteilung grundsätzlich einen Milderungsgrund im Sinn des geltenden § 34 Ziff. 18 StGB dar- stellt, weil dessen Anwendung unter Berücksichtigung der österreichischen Judika- tur nur in sehr beschränktem Ausmass, nämlich erst ab ungefähr fünf Jahren in Betracht kommt, und etwa dann nicht, wenn der Täter sofort nach der Tat in Ver- folgung gezogen wurde und sich in Haft befunden hat und die späte Aburteilung der Tat bloss auf die Dauer des Verfahrens zurückzuführen ist. [...] Ein Beschuldig- ter ist jedoch während eines längeren Strafverfahrens beträchtlichen psychischen Belastungen ausgesetzt und muss während dessen Anhängigkeit häufig erhebliche rechtliche, wirtschaftliche oder persönliche Nachteile in Kauf nehmen. Es erscheint daher ebenso einsichtig wie billig, wenn eine Verzögerung, die zu einer längeren als der für die Behandlung eines Straffalles im Allgemeinen erforderlichen Verfahrens- dauer geführt hat, vom Gericht als Milderungsgrund in Rechnung gestellt wird. Dabei soll nicht so sehr auf ein ‹Verschulden› der in Betracht kommenden Behör- den, sondern vor allem auf das Ergebnis der Verzögerung, also die tatsächliche (Mehr-)Belastung des Beschuldigten abgestellt werden. Ein ähnlicher Standpunkt wird im Übrigen auch von der deutschen Lehre überwiegend vertreten.» 86 In diesem Fall entscheidet das Gericht, das in erster Instanz erkannt hat, nach Erhe- bung der für die Entscheidung massgebenden Umstände mit Beschluss. Vgl. § 251 StPO i. V. m. § 34 Abs. 2 StGB. Für die vergleichbare österreichische Rechtslage siehe § 410 StPO i. V. m. § 34 Abs. 2 StGB. 87 Vgl. Ress, S. 352, mit Hinweis auf die Entscheidung des LG Düsseldorf vom 26. Au- gust 1987 in: NStZ 1988, S. 427. Es wird auch die Meinung vertreten, dass wenn eine innerstaatliche Entscheidung noch nicht vollstreckt worden sei, die Entscheidung des EGMR, mit der eine Konventionsverletzung festgestellt werde, ein Vollstre- ckungshindernis für die innerstaatliche Entscheidung darstelle. Vgl. Ehlers, S. 77, Rz. 105.
	        

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