Volltext: Beiträge zum liechtensteinischen Recht aus nationaler und internationaler Perspektive

einem Verwaltungsverfahren divergierende Parteiinteressen von Priva- ten einander gegenüber, gilt auch für Verwaltungsverfahren, dass der Verfahrensgegner ein beachtenswertes Interesse daran hat, dass eine for- mell und materiell rechtskräftige Entscheidung auch bestehen bleibt.81 Grundlegend anders stellt sich die Interessenlage in Strafverfahren oder Verwaltungsstrafverfahren dar. Aufgrund der Schwere der Sanktion erhält das Interesse des Beschuldigten, wonach das Verfahren erneuert wird, gegenüber allfälligen Interessen des Staates oder privater Dritter am Fortbestand einer formell und materiell rechtskräftigen Entschei- dung, die einer Wiederaufnahme entgegenstehen könnten, ein überwie- gendes Gewicht.82Dennoch erscheint es auch hier nicht in jedem Fall geboten, dass ein Wiederaufnahmeverfahren durchgeführt wird.83Stellt der EGMR in einem Urteil eine Verletzung des Art. 6 EMRK fest, etwa weil eine überlange Verfahrensdauer vorliegt, könnte die vom EGMR festgestellte Konventionsverletzung als nachträglicher Strafmilderungs- grund berücksichtigt werden.84Nach § 34 Abs. 2 StGB liegt nämlich ein 95 
Innerstaatliche Durchsetzung der Entscheidungen des EGMR 81 Siehe hierzu auch VBI 2000/31, Entscheidung vom 6. September 2000, LES 2000, S. 180 (183), wo die Verwaltungsbeschwerdeinstanz festhält: «Eine Verfügung oder E [Entscheidung] darf nur dann widerrufen (zurückgenommen) werden, wenn die Abwägung der Interessen an der richtigen Durchsetzung des objektiven Rechts die Interessen an der Wahrung der Rechtssicherheit überwiegen. Ein Widerruf kommt grundsätzlich dann nicht in Frage, wenn die frühere E [Entscheidung] ein subjekti- ves Recht begründet oder wenn die E [Entscheidung] in einem Verfahren ergangen ist, in welchem die sich gegenüberstehenden Interessen allseitig zu prüfen und gegeneinander abzuwägen waren, oder wenn der Private von einer ihm durch die fragliche Verfügung eingeräumten Befugnis bereits Gebrauch gemacht hat. Aber auch in diesen Fällen ist ein Widerruf möglich, und zwar dann, wenn er durch ein besonders gewichtiges öffentliches Interesse geboten ist [...]». 82 Vgl. auch Ress, S. 351. 83 Vgl. Pietrowicz, S. 46. 84 Vgl. Ress, S. 351, der aber für das Strafrecht bei einer Verurteilung des EGMR im betroffenen Vertragsstaat generell die Wiederaufnahme des Verfahrens befürwortet. Vergleiche dazu für die österreichische Rechtsprechung auch etwa VfSlg 19.011/2010, wo der VfGH hinsichtlich einer Verwaltungsstrafe ausspricht, indem die belangte Behörde die überlange Verfahrensdauer nicht festgestellt und nicht strafmildernd berücksichtigt habe, habe sie das Gesetz bei der Strafbemessung in einer dem Art. 6 Abs. 1 EMRK widersprechenden Weise angewendet. Siehe auch etwa VfSlg 17.821/2006 betreffend die überlange Dauer eines Disziplinarverfahrens gegen einen Rechtsanwalt, welche von den Disziplinarbehörden bei der Verhängung der Disziplinarstrafe unzutreffenderweise nicht als Milderungsgrund berücksichtigt worden ist. Siehe ferner VfSlg 18951–18952/2009.
	        

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