Volltext: Beiträge zum liechtensteinischen Recht aus nationaler und internationaler Perspektive

ren Worten gesagt, formell rechtskräftig.28Diese Urteile sind damit nicht mehr anfechtbar, sodass ein Weiterzug an eine höhere Instanz ausge- schlossen ist.29 Die Urteile des EGMR erwachsen auch in materielle Rechtskraft. So verpflichtet Art. 46 Abs. 1 EMRK die Vertragsparteien in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des EGMR zu befolgen.30Diese Befolgungspflicht (die materielle Rechtskraft) gilt für die Parteien des Verfahrens («Wirkung inter partes»).31Das heisst, ein Urteil des EGMR bindet nur den bzw. die Beschwerdeführer und den am Verfahren beteiligten Vertragsstaat. Für die weiteren an einem Verfahren nicht beteiligten Vertragsstaaten entfaltet ein Urteil des EGMR dagegen keine materielle Rechtskraft, sondern hat lediglich eine «Orientierungswirkung».32 Die materielle Rechtskraft ist zudem in sachlicher Hinsicht auf den Beschwerdegenstand begrenzt. So erstreckt sich die Bindungswirkung 80Hugo 
Vogt 28 Vgl. Cremer, Entscheidung und Entscheidungswirkung, S. 1719 f., Rz. 37; Cremer, Bindungswirkung, S. 690; Meyer-Ladewig, S. 385, Rz. 1 und S. 393, Rz. 13; Gra- benwarter/Pabel, EMRK, S. 102, Rz. 2. Siehe auch StGH 2006/111, Urteil vom 3. Juli 2007, Erw. 4.1, S. 39 f., abrufbar unter <www.stgh.li>. 29 Vgl. Cremer, Entscheidung und Entscheidungswirkung, S. 1719 f., Rz. 37; Cremer, Bindungswirkung, S. 690; Meyer-Ladewig, S. 385, Rz. 1 und S. 393, Rz. 13; Gra- benwarter/Pabel, EMRK, S. 102, Rz. 2. 30 Vgl. Cremer, Entscheidung und Entscheidungswirkung, S. 1726 f., Rz. 56 ff.; Gra- benwarter/Pabel, EMRK, S. 102, Rz. 2; Meyer-Ladewig, S. 393 f., Rz. 13 ff. Hans- Joachim Cremer hält dazu fest, die Pflicht eines Vertragsstaates, ein Urteil des EGMR befolgen zu müssen, könnte anstatt als Rechtskraftwirkung eines Urteils des EGMR auch einfach als Vertragspflicht aufgefasst werden. Vgl. Cremer, Entschei- dung und Entscheidungswirkung, S. 1727, Rz. 57. 31 Vgl. Grabenwarter/Pabel, EMRK, S. 102 f. Rz. 2 f.; Ress, S. 350; Cremer, Entschei- dung und Entscheidungswirkung, S. 1726 ff. Rz. 56f. 32 Vgl. Grabenwarter/Pabel, EMRK, S. 106, Rz. 8. Die Orientierungswirkung oder «Präjudizwirkung» [Luzius Wildhaber, Erfahrungen mit der Europäischen Men- schenrechtskonvention, ZSR 1979, S. 229 ff. (355), zitiert nach Grabenwarter/Pabel, EMRK, S. 106, Rz. 8] liegt darin, dass die in einem Verfahren nicht beteiligten Ver- tragsstaaten in Gesetzgebung und Rechtsprechung die Urteile des EGMR berück- sichtigen. Vgl. Grabenwarter/Pabel, EMRK, S. 106, Rz. 8. Eingehend zur Wirkung der Urteile des EGMR für die an einem Verfahren nicht beteiligten Vertragsstaaten siehe Frank Czerner, Inter partes-versus erga omnes-Wirkung der EGMR-Judikate in den Konventionsstaaten gemäss Art. 46 EMRK. Eine Problemanalyse auch aus strafverfahrensrechtlicher Perspektive, Archiv des Völkerrechts (AVR), Band 46, 2008, S. 345 ff.
	        

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