Volltext: Beiträge zum liechtensteinischen Recht aus nationaler und internationaler Perspektive

einer Norm, wie er uns heute im Rahmen der geltungszeitlichen Umstände erscheint. Eine solche Norminterpretation steht in einem Spannungsverhältnis zur historischen Auslegung.209In technischen, einem starken Wandel unterworfenen Bereichen gewinnt die zeitge- mässe Auslegung jedoch immer mehr an Gewicht. Sehr oft ist sie dabei mit Überlegungen der teleologischen Auslegung verbunden.210Gerade auch Grundrechte lassen sich durch Aktualisierung des Schutzzwecks und Erweiterung des Schutzbereiches an veränderte Verhältnisse anpas- sen.211Grundrechte sind als bewusst und gewollt nicht technisch formu- lierte Rechtsnormen offen für eine Anpassung an gewandelte rechtliche und soziale Bedingungen. Nur die Möglichkeit einer solchen Anpassung gewährleistet, dass die Grundrechte letztlich nicht «leerlaufen» und sich nicht in historischen Reminiszenzen an frühere Bedrohungen erschöp- fen.212Die Berücksichtigung des sozialen Wandels bei der Auslegung der Grundrechte ist jedenfalls dann unausweichlich und legitim, wenn sich ihre Gewährleistungsfunktion erhalten soll.213Die Weiterentwicklung von Grundrechtsnormen mittels geltungszeitlicher Auslegung findet aber ihre Grenzen teils bei der Justiziabilität eines anzuerkennenden Anspruchs, teils beim Schutzzweck des zu erweiternden Grundrechts.214 3.3Die systematische Auslegung Bei der systematischen Auslegung wird der Sinn der Rechtsnorm durch ihr Verhältnis zu anderen Rechtsnormen und durch den systematischen Zusammenhang bestimmt, in dem sie sich in einem Gesetz präsentiert.215 166Tobias 
Michael Wille 209Vgl. Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht, S. 36, Rz. 114 f. 210Siehe Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht, S. 38, Rz. 119. 211Vgl. Tschannen, Verfassungsauslegung, S. 156, Rz. 14. 212Berka, Grundrechte, S. 74, Rz. 122. 213Siehe Berka, Grundrechte, S. 74, Rz. 122. In diesem Sinne betont auch der Staatsge- richtshof in StGH 1984/14, Urteil vom 28. Mai 1986, LES 1987, S. 36 (38, Erw. 1), die Umschreibung der verfassungsmässig gewährleisteten Rechte sei regelmässig bewusst so flexibel gehalten, damit sich eine Auslegung aufdränge, die es gestatte, allen wesentlichen Schutzbedürfnissen von Verfassungswesentlichkeit gerecht zu werden. 214Vgl. dazu Tschannen, Verfassungsauslegung, S. 156, Rz. 14 unter Verweis auf BGE 121 I 367 E. 2b, c S. 371 ff. 215StGH 2012/67, Urteil vom 30. Oktober 2012, nicht veröffentlicht, Erw. 11 und StGH 2012/176, Urteil vom 4. Februar 2012, <www.gerichtsentscheide.li>, Erw. 9; siehe auch Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht, S. 32, Rz. 97.
	        

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