Volltext: Vom Glück, teilen zu können

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Polen braucht uns mehr denn je 
Bericht über die Begleitung eines Hilfsgütertransports aus Liechtenstein 
(Eing.) — Am Freitag, den 26. Novem- 
ber 1989, ging der siebte von insgesamt 
zehn Hilfsgütertransporten des Hilfs- 
werks Liechtenstein in diesem Jahr 
nach Polen ab. Bestimmungsorte wa- 
ren zwei Klostergemeinschaften in Kra- 
kau und Lubecza. Diesen Transport 
durfte ich begleiten und konne so selber 
erleben, wie wichtig unsere Hilfe für 
Polen ist. 
Am Freitag zuvor wurden ganze 20 Ton- 
ıen Kleider, Lebens-, Nahrungs- und 
Pflegemittel auf den LKW und Anhän- 
ger verladen. Schon am Sonntag abend 
‘uhren wir — der Fahrer Sepp und ich — 
nit dem insgesamt 53 Tonnen schweren 
Fahrzeug in Richtung Polen ab. Die 
Reise führte uns über Wien und die 
Tschechoslowakei nach Krakau, wo wir 
ıach 22 Stunden Fahrt am Dienstag 
norgen müde ankamen. Mit Hilfe eini- 
zer Krakauer fanden wir bald zur Klo- 
stergemeinschaft der _Franziskaner- 
Schwestern, wo.man uns voller Freude 
zrwartete und sehr herzlich empfing. 
Wir wurden sogar mit Fleisch und Butter 
verwöhnt, — ein für die Polen riesiges 
Opfer, wenn man weiss, wie selten sie 
sich so überaus raren Luxus leisten kön- 
nen. . 
Bald ging’s ans Abladen. Einige 
Schwestern und Studenten luden die Pa- 
xete auf einen Heuwagen, den sie durch 
Eis und Schnee auf den Klosterhof scho- 
ben. Die 483 Pakete (zwischen 10 und 35 
xg) und 5376 Konservendosen mussten 
dort in einen Keller getragen werden. 
Unsern Helfern schien das keine Mühe 
zu bereiten, denn die Freude war gross. 
Viele alte Menschen erfrieren in ihren 
Wohnungen 
Am Nachmittag hatte ich dann Gelegen- 
heit, mit Schwester Janina über die Si- 
tuation in Polen zu sprechen. Sie er- 
zählte eindrücklich, wie vor allem alte 
ıeute und kinderreiche Familien mit der 
m Krakauer Kloster: Sr. Aldona und e? 
cete im Keller. 
junge Schwester beim Aufstapeln der Pa- 
\rmut zu kämpfen haben. Der Lohn ei. 
ıes polnischen Arbeiters reicht kaum für 
Jahrung und Miete, so dass sich: nur we‘) 
ige warme Kleider leisten oder die 
Vohnung heizen können. Besonders 
:hwer ist das Leben für Pensionäre, 
ann ihre Rente entspricht nur etwa der 
älfte des ohnehin schon kargen Arbei- 
»rlohnes. Schwester Janina erzählte 
ch, dass jeden Winter viele alte Leute 
rfrieren müssen, weil sie sich kein Gas 
är die Heizung leisten können. Immer 
“eder erwähnt sie, wie dankbar alle für 
je Hilfsgüter seien und wie sehr diese 
:och benötigt würden. Die Schwestern 
esuchen Bedürftige in der Umgebung 
ind versuchen, die Not mit ihren be- 
<heidenen Mitteln zu lindern. Sie unter- 
alten auch eine Essensstation, bei der 
arme Leute eine warme Mahlizeit für we- 
nig Geld erhalten können. Vor dieser 
Station sah ich Menschen, die keine 
Kleider, sondern nur zerrissene Fetzen 
ım ‚Leibe trugen. Sie hatten weder 
‘Jandschuhe noch andere warme Klei- 
Jung, um sich vor der sibirischen Kälte 
zu schützen. Bis Weihnachten werden 
lie Schwestern schon die ganze Ladung 
‚erteilt haben und dadurch solchen 
Menschen ein schöneres Fest bereiten. 
Am nächsten Tag fuhren wir nach 
„ubcza, das etwa 2 1/2 Autofahrstun- 
'en ausserhalb Krakaus liegt, um auch 
len zweiten Teil unserer Ladung abzu- 
iefern. Dort wurden wir genau so herz- 
ich aufgenommen wie in Krakau. Die 
jchwestern waren ausser sich vor 
*reude und bestaunten immer wieder 
lie vielen Pakete und Konservendosen. 
Sie konnten es kaum fassen, dass ihnen 
ıll das zur Verteilung überlassen wurde, 
Auch in Lubcza war die Armut offen- 
:ichtlich. Von den Jugendlichen, die uns 
jeim Abladen halfen, fehlten bei vielen 
tliche Zähne -—- warm gekleidet war nie- 
mand. Leiter mussten wir wegen des 
Zeitdrucks nach 4 Stunden schon wieder 
aufbrechen — auch hier, nicht ohne die 
polnische Gastfreundschaft genossen zu 
haben, die wir in Anbetracht ihrer knap- 
nen Lebensmittel nur mit schlechtem 
Gewissen in Anspruch nahmen. 
Wir waren nun schon den fünften Tag 
ınterwegs und trafen, kurz bevor das 
Nachtfahrverbot in Kraft gesetzt wurde, 
am Freitag abend wieder zu Hause ein. 
Reich an Erfahrungen und voll mit 
neuen Eindrücken kehrte ich zurück in 
unser gewohntes Luxusleben. Ich 
wünschte, jeder könnte so eine Reise 
nitmachen, denn nur jene können er- 
nessen, wie notwendig und wie wichtig 
lie Arbeit unseres Hilfswerks nach wie 
vor ist. Auch wenn unsere Spenden die 
Not der Menschen nicht beseitigen, son- 
dern nur lindern können, helfen sie den- 
ıoch mit, den Menschen in Polen die 
Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu 
z»rhalten — diese Hoffnung ist das ein- 
ige. was sie haben 
Klostervorhof in Krakau: Transport der 
Pakete auf den Heuwagen. 
Zin Bericht für die Presse von Judith Lorenz im Auftrag des Hilfswerks Liechtenstein
	        

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