2.2 Issues Management
Der Begriff Zssue ist für die Agenda-Setting-Theorie zentral. Überwiegend werden damit
öffentliche Anliegen, aber auch politische, soziale oder allgemeine gesellschaftliche
Streitfragen bezeichnet (Bonfadelli 1999, 223ff). Die am weitesten verbreitete amerikanische
Definition für Zssue umfasst politische wie soziale Probleme: „current topics and civic
concerns linked to the national interest“ (Eyal 1985 und Shyles 1983, zitiert in: Eichhorn
2005, 8). Nach dieser Definition haben wir es in der zu untersuchenden Steueraffäre jedenfalls
mit einem Issue zu tun, ebenso nach der Zusammenfassung von Eichhorn, wonach sich der
Begriff Issue im Zusammenhang mit Agenda Setting auf ein Ereignis oder eine Gruppe von
Ereignissen, jedoch genau genommen auf die dahinter liegende (öffentliche) Streitfrage,
bezieht. Vorgänge, die mit dem Ereignis zusammenhängen, gehören mit zum Issue. Issues
beziehen sich immer auf gesellschaftliche, nicht private Ereignisse. Bezieht sich ein Issue auf
Einzelpersonen, so ist die gesellschaftliche Rolle derselben gemeint (Eichhorn 2005, 9). In
der Steueraffäre waren viele Personen aufgrund der medial wirksamen Inszenierung der
„Zumwinkel-Festnahme“ geneigt, die Angelegenheit als — aus welchen Gründen auch immer -
künstlich herbeigeführt zu interpretieren. Doch gemäß Schaufler und Signitzer sind „Issues
[...] weder Zufallsprodukte noch künstliche Konstruktionen. Vielmehr sind sie Konsequenzen
aus sinnlich wahrnehmbaren Missständen und Phänomenen. Issues entstehen immer dann,
wenn eine Gruppe von Menschen ein Problem erkennt und sich dazu entschließt etwas zu tun,
um es zu lösen.“ (Schaufler/Signitzer 1990, 32).
Der Begriff /ssues Management wurde erstmals 1976 vom amerikanischen PR-Berater W.
Howard Chase geprágt, der damit die Disziplin der Public Relations aufwerten und als
strategische Managementfunktion etablieren wollte. In der Tradition dieses Ansatzes betont
Issues Management die Beobachtung des Organisationsumfeldes auf Chancen und Risiken
(vgl. Lütgens 2002, 85f).
Nur konfliktträchtige Sachverhalte, die über die Privatsphäre des Einzelnen hinaus Relevanz
für die Gesellschaft bzw. mindestens ein gesellschaftliches Handlungsfeld entwickeln, können
ein Issue werden (Liebl 1996, 8). Issues im Sinne des Issues Management weisen zudem
einen klaren Organisationsbezug auf, d.h. sie haben tatsächlich oder potentiell Auswirkungen
auf die Organisation und deren aktuelles oder zukünftiges Handlungspotential.
Manche Autoren sehen Issues eng an vorhandene Anspruchsgruppen bzw. Konfliktparteien
gebunden, wie zum Beispiel Hallahan, der Issue wie folgt definiert: “ ... a dispute between
two or more parties over the allocation of resources, which might be natural, financial,
political or symbolic” (Hallahan 2001, 28).
Zieht man die umfangreiche Literatur zum Thema Issues Management in Betracht, so fällt
auf, dass drei grundlegende Faktoren, die diesem Konzept zugrunde liegen, immer wieder
auftauchen: 1. Die Beschaffenheit von Konfliktthemen, 2. die Beschaffenheit von
Öffentlichkeiten und 3. die soziale Verantwortung von Unternehmen (vgl. Schaufler/Signitzer
1990, 32).
Konfliktthemen können sehr unterschiedliche Entstehungsprozesse und dramaturgische
Verläufe nehmen, je nachdem, ob es sich um große Themenfelder oder um eng umgrenzte
und oft dazu noch sehr komplexe Themenbereiche handelt. Neumann (1990, 167ff, zitiert