Volltext: Ferdinand Nigg (1865-1949) in feinen Facetten

Gedanke (eines nicht materiellen, nicht reduzierbaren Elements) geht auf Hermes Tris- 
megistos zurück, dort heisst es: «Gott ist die Monade, die eine Monade erzeugt - er 
ist der Mittelpunkt, der sich überall erzeugt.» 
Und wenn sich über Leibniz bis zu den heutigen Philosophen, die sich zur Inkarnation 
äusserten, einen Bogen spannte, käme mir Sloterdijk in diesem Zusammenhang gele- 
gen, der es «die Quelle der Überall-Setzung» nennt. So haben wir vielleicht im zweiten 
Bildwerk, in dieser vom Künstler wie immer selbst ausgeführten Stickerei — etwas vom 
«sphärologischen Eigensinn der Raumbildung» eingebracht. 
Feinstofflichkeit — faktisch wie im übertragenen Sinn. Diese «Überallsetzung» als ein 
durchaus mystisches Unterfangen mit Hilfe eines kleinen Elements, des Kreuzstichs, 
der in dieser Bildwirklichkeit auffallend in Erscheinung tritt. 
Carl Einstein (ein Kunstgeschichtler seiner Zeit) schrieb 1914 Folgendes: «Über die spe- 
zifisch gesonderte Stellung hinaus bestimmt Kunst das Sehen überhaupt. (...) Gegen- 
stand der Kunst sind nicht Objekte sondern das gestaltete Sehen.» Nicht zu vergessen 
also, dass die Forschung zum optischen Sehen damals die Kunst von der Renaissance- 
Perspektive befreite, hierfür steht z.B. das pointilistische Schauen, sel es nun jenes 
eines Malers wie Seurat oder Signac. Heute hat das Teilchendenken die Empfindung 
'ängst auf elektronische Bahnen gelotst. Sicher aber ist, dass wir es hier bei der opti- 
schen Wahrnehmung dieses Bildwerks mit der Sinneswahrnehmung eines Malers zu 
tun haben werden. 
Es geht ums Schauen 
Niggs Bilddarlegungen - egal ob Zeichnung oder Stickerei — lassen sich zwar gestalte- 
risch vor dem Modul der Moderne als Komposition erklären, aber das Gestalterische 
selbst blieb ihm Instrument einer vertieften Schau und Verschlüsselung, ob uns das 
recht ist oder nicht — Umsetzung, die es durchaus zu entziffern gilt auch auf inhaltli- 
cher Ebene, und dies auf vielgestaltig komplexe Weise, sei es nun figural oder abstrakt. 
Das Motiv kommt über die Bild-Sprache daher. Von daher erreicht der Inhalt den Be- 
trachter. Dafür ist Ferdinand Nigg in hundert Variationen ein unerschöpflicher Meister, 
Der grosse Schaaner Dux-Teppich ist ein Schlüsselwerk und bietet hierfür Raum. Und 
wenn Sie den Teppich jetzt nochmals betrachten, erkennen Sie vielleicht ganz über- 
rascht, dass rechts das Kreuzgeschehen bereits eingeblendet ist. 
Es sind mehrheitlich vertraut christliche Motive, die in Niggs künstlerischem Werk der 
zweiten Lebenshälfte zum Bild- und Grundgedanken seiner Darstellungen wurden,
	        

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