Volltext: "Aus Überzeugung, dass er der Gemeinde von grossem Nutzen seyn werde"

Realteilung galt.*# Dies hatte zwar den Vorteil, dass alle Kinder eines 
«haushäblichen» Ehepaars erbberechtigt waren. Doch ergab sich daraus 
auch ein gravierender Nachteil: Da nämlich die Nutzungsrechte nicht 
vermehrt werden konnten, wurden in der Folge immer kleinere und damit 
äirmere Hofstellen geschaffen. Dies verstärkte einerseits den Druck zur 
Austeilung von Allmendboden an private Nutzer. Zuerst wurde der Boden 
'ediglich zur Nutzung ausgeteilt, doch im frühen 19. Jahrhundert erfolgte 
zunehmend die Überführung von solchem Boden in Privatbesitz.“ Andererseits 
aatten mehrere Nachbarschaften bereits im 18. Jahrhundert ein Hausbauverbot 
erlassen, um die weitere Zerstückelung von Grundstücken zu stoppen. Dies 
führte zu engeren Wohnverhältnissen, Verwandte blieben gezwungenermassen 
im selben Haushalt wohnhaft. Fürst Johann I. bestätigte mit Erlass vom 
27. Oktober 1806, dass nur mit obrigkeitlicher Erlaubnis neue Häuser 
erstellt oder bestehende vergrössert werden durften.“ 
Knappe Bodenressourcen, beengte Wohnverhältnisse und ein spürbares 
Bevölkerungswachstum führten dazu, dass die Bereitschaft der Genossen- 
zemeinden zur Aufnahme zusätzlicher Personen und Familien im 
18. Jahrhundert weiter abnahm. Landvogt Franz Xaver Menzinger hielt 
1805 in einem Bericht an die Hofkanzlei in Wien fest: «Es ist unglaublich, 
was die hiesigen Leute gegen alle Fremden für einen Hass haben. Sie belegen 
sie kaum anders [als] mit den Namen, die fremden Bettler, Hudler, Hünd, 
Lumpen etc. und das aus keiner anderen Ursache, als weil diese, wie sie 
sagen, alles doppelt zu nützen wissen, und bald alle Güter an sich reissen 
würden etc., wenn sie hereinkämen».“® Landvogt Menzinger kritisierte das 
seiner Meinung nach offensichtliche Unvermögen der liechtensteinischen 
Landwirte, die alle «keine Professionisten» seien. Er wünschte sich daher 
den Zuzug kompetenter Fremder, die den Einheimischen zeigten, wie diese 
«die ganz vernachlässigte Viehzucht verbessern und wenigstens Gräben öffnen 
möchten, damit ihnen die Früchte nicht ersaufen».“ 
Gegen den Widerstand einzelner liechtensteinischer Gemeinden 
erzwang die Obrigkeit im frühen 19. Jahrhundert denn auch tief greifende 
Reformen in Liechtenstein. Besonders das Verhältnis zwischen Staat und 
Nachbarschaften — Letztere wurden zu politischen Gemeinden — wurde 
neu definiert. Diese einschneidenden Neuerungen setzte Menzingers 
Nachfolger Josef Schuppler im Jahr 1809 durch.” 
Die Nachbarschaften entschieden in Genossenversammlungen über die 
Aufnahme von neuen Mitgliedern in ihrer Genossenschaft. Die Nachbar- 
schaften wurden nach aussen von zwei Geschworenen vertreten, die zugleich 
Mitglieder des Gerichts Vaduz oder Schellenberg waren. Da sowohl die 
betroffene Dorfgenossenschaft als auch die Landesherrschaft einer Aufnahme 
von Nutzungsberechtigten in eine Nachbarschaft zustimmen mussten, gab es 
entsprechende Korrespondenz zwischen beiden Seiten.” Die Dorfgenos- 
senschaften fällten ihre Beschlüsse in der Regel einvernehmlich, wobei 
5 
Karin Schamberger-Rogl: «Landtsbrauch, 
ader Erbrecht», in der «Vaduzischen Graf- 
schaft üblichen», Ein Dokument aus dem 
Jahr 1667 als Grundlage für landschaftliche 
Rechtsprechung. In: JBL, Bd. 101. Vaduz 
1002, S. 1128. 
Ausführlich dazu: Josef Büchel: 
Jer Gemeindenutzen 1953. 
Markus Burgmeier: Hausbauverbot. 
in: HLFL. Vaduz, Zürich 2012. 
Bericht von Landvogt Menzinger an die 
Jürstliche Hofkanzlei in Wien, 1. März 1805 
3ezug nehmend auf die vorgesehene Auf- 
teilung von bisher gemeinsam benutztem 
3oden in den Gemeinden Liechtensteins, 
zitiert bei: Josef Büchel: Der Gemeindenut- 
zen 1953, 5. 31. 
Josef Büchel: Der Gemeindenutzen 1953, 
S, 30-31. 
Vgl. dazu ausführlich Kap. 3: Moder- 
aisierung von oben in Liechtenstein 
1806-1812, 
Bernd Marquardt: Gemeinde. 
in: HLFL. Vaduz, Zürich 2012. 
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