‘© Vgl. auch Kap. 2.1: Der Untertanenstatus
als Vorläufer des Staatsbürgerrechts,
Siehe den Fall des Webers Martin Mayer
in Kap. 2.6: Aufnahmen als Untertanen in
Liechtenstein um 1800 — Vier Fallbeispiele.
Peter Geiger: Ausländer 1974, 5. 11-12.
Josef Büchel: Der Gemeindenutzen 1953,
Ss. 69; ebenso Rupert Ritter: Die Brandi-
sischen Freiheiten, In: JBL, Bd. 43. Vaduz
1943. 5. 542.
Vor dem Erlass des Gemeindegesetzes von 1864 gab es in Liechtenstein
Staatsbürger, vormals als Untertanen bezeichnet, die nicht Bürger einer
Gemeinde waren, sogenannte Hintersassen. Auch Personen, die nicht in
ihrer liechtensteinischen Bürgergemeinde lebten, wurden als Hintersassen
bezeichnet.” Sie hatten nur beschränkte Möglichkeiten, ihren Lebens-
unterhalt in ihrer Wohngemeinde zu bestreiten. Denn erst der Besitz eines
Gemeindebürgerrechts erlaubte es, von der Gemeinde Boden zur privaten
Bewirtschaftung zugeteilt zu erhalten. Auch war den Hintersassen die Mit-
nutzung von (nicht privatisiertem) Gemeindeboden nur mit Einschränkungen
möglich. Folglich konnten diese Personen nur bedingt ein Auskommen
in der Landwirtschaft finden und mussten ihren Lebensunterhalt auf
andere Art verdienen. Auf die Tätigkeiten als Beamte beziehungsweise
als Mägde und Knechte wurde bereits verwiesen. Einige der Hintersassen
waren als Arbeiter in der Industrie tätig. Ebenso wie zahlreiche kleine
Bauernbetriebe konnten diese Personen ihre Existenzoft nur mit Mühesichern.
Gerade im Laufe des 19. Jahrhunderts waren viele von ihnen zur (erneuten)
Abwanderung gezwungen.”
Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts lebte die liechtensteinische
Bevölkerung fast ausschliesslich von der Landwirtschaft. Folglich bildeten
ein Genossenschafts- beziehungsweise Gemeindebürgerrecht und die damit
verbundenen Vorteile bei der Bodenzuteilung und -nutzung für den Grossteil
der Bevölkerung eine zentrale Existenzgrundlage. Noch bis zum Ersten
Weltkrieg führte die amtliche Statistik Liechtensteinerinnen und Liechten-
steinet, die nicht in ihrer Bürgergemeinde wohnten, als «inländische Fremde».
Das unterstreicht den enormen Stellenwert des Gemeindebürgerrechts,
das in einer bäuerlichen Gesellschaft existenziell weitaus wichtiger war
als das Staatsbürgerrecht.”?
Nutzungsberechtigtes Mitglied einer Dorfgenossenschaft konnte
nur eine Person werden, die mit Bewilligung der Herrschaft ins Land
gekommen war, ein Haus besass und die vollen Gemeindelasten mit trug.”
Dies setzte voraus, dass die Landesherrschaft auch über die entsprechende
rechtliche Kompetenz verfügte, um über Aufnahmen in ihr Herrschaftsgebiet
entscheiden zu können. Im Gebiet des heutigen Fürstentums Liechtenstein
erhielten im 15. Jahrhundert die Freiherren von Brandis diese Kompetenz.
Die Brandiser waren von 1416 bis 1510 Landesherren über Vaduz und ab
1430 auch über Schellenberg. Das Reichsoberhaupt, König Sigismund,
verlieh im Jahr 1430 den Freiherren von Brandis eine Urkunde, welche
diesen in ihrem Herrschaftsgebiet die gesamte Gerichtsbarkeit zusprach.
Zugleich wurden alle Untertanen von Vaduz und Schellenberg der Landes-,
Grund- und Gerichtsherrschaft der Freiherren von Brandis unterstellt.
Andere Grundherren, auf deren Besitz Leibeigene lebten und arbeiteten,
hatten folglich keine herrschaftliche oder juristische Gewalt mehr, die über
den Rechten der Brandiser stand. Verweigerte die Landesherrschaft die