Volltext: "Aus Überzeugung, dass er der Gemeinde von grossem Nutzen seyn werde"

2.2 
ENTSTEHUNG DER GEMEINDEN UND DES 
GEMEINDEBÜRGERRECHTS 
Die frühere Bedeutung des Gemeindebürgerrechts ist heute nicht mehr 
allgemein geläufig. Dies gilt besonders für Personen aus Staaten, in denen eine 
Entkommunalisierung, das heisst eine Aufhebung von Ortsbürgerrechten, 
stattgefunden hat.” Um den hohen Stellenwert des Gemeindebürger- 
:echts besser zu verstehen, sei nachfolgend ein Blick auf die Entstehungs- 
zeschichte der Gemeinde und ihres Bürgerrechts geworfen. 
Die heutigen liechtensteinischen Gemeinden gehen teilweise auf 
die einzelnen Nachbarschaften zurück. Eine Nachbarschaft umfasste 
ursprünglich mehrere Bauernhöfe, die sich zur gemeinsamen Sicherung 
'hrer Lebensgrundlagen zusammengeschlossen hatten. Mit dem Anwachsen 
der Bevölkerung und der Erweiterung der landwirtschaftlichen Flächen im 
Mittelalter wuchsen diese kleineren Nachbarschaften zu grösseren Nach- 
arschaften — zu Dörfern — zusammen. Diese Entwicklung führte dazu, 
dass das Zusammenleben im Dorf gesetzlich geregelt werden musste. 
Gerade bei zunehmender Bevölkerungsdichte und knapper werdendem 
Boden mussten Regeln aufgestellt werden, um allen Hofstätten im Dorf die 
Nutzungsrechte am gemeinsamen Besitz zu sichern. Die Nachbarschaften 
verwalteten diesen gemeinsamen Besitz: Allmenden, Alpen und Wälder. 
Gemeinsam wurden auch die Lasten getragen: der Bau und Unterhalt von 
Wuhren zur Eindämmung des Rheins, der Unterhalt von Strassen und 
Brücken sowie die Erstellung und Pflege von Zäunen.*® 
Die als Nachbarschaften fassbaren Personenverbände in der Grafschaft 
Vaduz sind in den Quellen seit dem 14. Jahrhundert belegt, dies besonders 
im Zusammenhang mit der genossenschaftlichen Nutzung der Alpen.” 
Die Nachbarschaften verfügten seit der frühen Neuzeit über eine eigene 
Vermögensverwaltung und sie entschieden in Versammlungen über die 
Aufnahme und den Einkauf von Auswärtigen in ihre Genossenschaft. Bei 
geringem Bevölkerungswachstum und genügend freiem und nutzbarem 
Boden zeigten sich die Nachbarschaften bei der Aufnahme von Ortsfremden 
offen: «Wer sich Haus und Boden erwarb, galt als Gemeindsgenoss».”* 
Nutzungsberechtigte Personen wurden in der Folge als «Gemeindegenossen» 
oder «Gemeindeleute» bezeichnet, ihre Mitgliedschaft als Genossenschafts- 
recht. Sie waren willkommene Helfer zum Mittragen der Gemeindelasten. 
Stieg hingegen die Zahl der zu ernährenden Personen deutlich an, so 
wurde die Aufnahme neuer Dorfgenossen restriktiver gehandhabt. Das 
erwähnte Nutzungsrecht in der Dorfgenossenschaft war einer der Vorläufer 
für das Gemeindebürgerrecht. Der Begriff «Gemeindebürger» kam in 
Liechtenstein erst im 19. Jahrhundert auf, er fand offiziell Eingang ins 
Gemeindegesetz von 1842.? 
'n Deutschland geschah diese Entkommuna- 
sierung zum Beispiel bereits bei der zweiten 
Zeichsgründung im Jahr 1871. Vgl. Dieter 
o0sewinkel: Einbürgem und Ausschliessen 
2001, 5. 231. 
losef Büchel: Der Gemeindenutzen 1953, 
5. 6162; Alois Ospelt: Wirtschaftsgeschichte 
1972, S. 108-109, 
Alois Ospelt: Laienrichtertum 2010, S. 35. 
losef Büchel: Der Gemeindenutzen 1953. 
62. 
Zalph Wanger: Landesbürgerrecht 1997, 
5. 11-13; Josef Büchel: Der Gemeinde- 
qutzen 1953, 5. 62. 
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