8.7 RÜCKBÜRGERUNGEN
Acht Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller bewarben sich im Untersuchungs-
zeitraum zwischen 1809 und 1918 (de facto mit zwei «Nachzüglern» bis 1931)
erfolgreich um ihre Wiederaufnahme als liechtensteinische Staatsbürger. Fünf
dieser Gesuchsteller waren Berufsleute, die zuvor gezwungen waren, im
Ausland Arbeit zu finden, und nun wieder nach Liechtenstein zurückkehren
wollten. Eine Gesuchstellerin war eine Witwe, die mit ihrer Rückbürge-
rung ihrem Sohn den Militärdienst in Österreich ersparen wollte. Zwei
weitere Witwen, die mit ihren Kindern in Liechtenstein lebten, hatten ihr
liechtensteinisches Bürgerrecht durch Heirat verloren. Sie wollten dieses
zurückerhalten, für sich selbst und für ihre Kinder, um so Letzteren zu
verbesserten Lebenschancen zu verhelfen.?®
Das Motiv, mit einer Rück- beziehungsweise Einbürgerung in
Liechtenstein den Militärdienst im bisherigen Heimatstaat umgehen zu
können, taucht bei mehreren Gesuchstellern auf. So wollte auch Georg
Kindle aus Balzers, der Österreicher geworden und in Vorarlberg als
Lehrer tätig war, im Jahr 1910 wieder Liechtensteiner werden. Er stellte
sein Rückbürgerungsgesuch ebenfalls in der Absicht, durch Wiederer-
langung der liechtensteinischen Staatsbürgerschaft dem Militärdienst in
Österreich ausweichen zu können. Mit seinem Gesuch befasste sich 1910
auch der Landtag. Das Parlament in Vaduz befürwortete das Gesuch und
bat die Regierung, «in diesem und ähnlichen Fällen» beim Landesfürsten
die Wiedereinbürgerung zu beantragen. Der Landtag erklärte aber
ausdrücklich, dass Bürgerrechtsbewerber, die der Militärpflicht oder
Steuerzahlungen ausweichen wollten, grundsätzlich abzuweisen seien.
Georg Kindle gelang es tatsächlich, durch seine Rückbürgerung in
Liechtenstein dem Wehrdienst zu entgehen. Sein Einbürgerungsgesuch
wurde wohl deshalb positiv beantwortet, weil er zuvor schon Liechtensteiner
gewesen war.?® Gesuchsteller aus dem Ausland, deren Familien zuvor
zein liechtensteinisches Staatsbürgerrecht besessen hatten, wurden denn
auch in der Regel abgewiesen, wenn bekannt wurde, dass das Ziel ihrer
Einbürgerung in Liechtenstein lediglich die Umgehung des Militärdiensts
‚N ihrer angestammten Heimat war.”
Martin Ritter in Mauren
Der aus Mauren stammende Jurist und Politiker Martin Ritter (1872-1947)
hatte im Jahr 1905 die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen.
Seit 1900 mit Augusta Fischer aus Graz verheiratet, hatte Ritter drei Kinder,
die 1905 von der Aufnahme in das österreichische Staatsbürgerrecht
ausdrücklich ausgeschlossen blieben. Martin Ritter wurde Österreicher,
weil er 1905 als Rechtsanwalt in Innsbruck eine eigene Kanzlei eröffnete.
Sein Verhältnis zu Liechtenstein war nicht ungetrübt: 1898 hatte sich Ritter
% Vgl. im Überblick Tabelle 12: Rückbürge-
‚ungen. Die hier der Vollständigkeit hal-
2er nochmals erwähnte Rückbürgerung
on Eva Welti ist in Kap. 7.4.4 ausführlich
Jeschrieben.
'] LA LTP 1910/50-51, 10. Dezember
1910.
Siehe auch Kap. 8.8: Abgelehnte Einbür-
gerungsgesuche
BC