Klaus Biedermann: Das ist ja etwas sehr Positives ...
Norbert Haas: Ja, besonders bei den «einfachen» Leuten. Später dann haben
Angehörige der Familie Haas in den Fabriken gearbeitet. Das war dann schon
ine gesellschaftliche Besserstellung.
Man hat gesagt, die Frauen der Haasenfamilien gehörten zu den
schönsten von Vaduz. Manch ehrbarer Vaduzer Bürger hatte wohl seine
Erlebnisse mit einer solchen Frau vom «Hasenviertel». Aber eine Heirat
kam nicht in Frage. Und auch umgekehrt: Ein Haas hätte nicht in eine der
«ehrbaren Familien» einheiraten dürfen. Die Sexualität als integrativer
Baktor in unserer Gesellschaft wäre auch mal ein Thema, das es wert wäre,
soziologisch untersucht zu werden. Ehrbare Bürger konnten mit Frauen aus
shemals nicht-sesshaften Familien ihren Spass haben, doch eine Heirat mit
ıjiner solchen Frau kam — wie gesagt — nicht in Frage.
Klaus Biedermann: Das Heiratsverhalten in unserer Gesellschaft früher
und heute ist ein zentrales Thema mit Auswirkungen auf bürgerrechtliche
Fragen. Der Ehekonsens von 1804 forderte, dass die staatliche Obrigkeit
ieder Eheschliessung in Liechtenstein zustimmen musste. Damit wollte
der Staat verhindern, dass sich die mittellose Bevölkerung unkontrolliert
vermehrte. Doch Kinder aus unehelichen Verbindungen gab es trotzdem
weiterhin. Besonders für Frauen und ihre Kinder war ein unehelicher
Hintergrund eine Belastung, sie wurden ausgegrenzt und diffamiert. Zum Teil
gingen Paare aus nicht-sesshaften Familien ins Ausland, um dort kirchlich zu
heiraten, sodass sie zumindest ein Ehedokument vorweisen konnten.
Vreni Haas: Ja, so waren sie auch keine «Sans-Papiers» mehr. Die
Situation von nicht-sesshaften Familien früher ist für mich generell
vergleichbar mit dem Schicksal von «Sans-Papiers» heute. Flüchtlinge
kommen ohne Papiere zu uns, doch infolge fehlender Dokumente können
:;ie keine Heimat- oder Niederlassungsberechtigung geltend machen. Und
so werden sie, wie früher die nicht-sesshaften Familien, oft von einem Land
zum anderen Land weitergeschoben.
Norbert Haas: Mir ist bekannt, dass einer meiner Vorfahren im liechten-
;teinischen Militärkontingent gedient hatte und danach das Bürgerrecht von
Mauren bekommen hat.
Klaus Biedermann: Ja, das stimmt, doch es war lediglich eine Art Heimat-
‚echt, das dieser ehemalige Militärdienstleistende in Mauren erhalten hat,
noch kein volles Bürgerrecht. Solche heimatberechtigten Personen ohne
Gemeindebürgerrecht wurden auch als «Hintersassen» bezeichnet. Ist dir
dieser Begriff bekannt?