Volltext: "Aus Überzeugung, dass er der Gemeinde von grossem Nutzen seyn werde"

7.5 BEKÄMPFUNG DER NICHT-SESSHAFTIGKEIT 
7.5.1 MASSNAHMEN UND GESETZLICHE BESTIMMUNGEN 
Das Umherziehen von Menschen ohne festen Wohnsitz war den sich 
ab dem 18. Jahrhundert institutionell verdichtenden Verwaltungsstaaten 
(wie zum Beispiel Österreich) zusehends ein Dorn im Auge. Die Nicht- 
Sesshaftigkeit «entzog sich dem Konzept der Sozialdisziplinierung und 
dem Wunsch nach Lokalisierung der Individuen.»”7 Es wurden daher 
verstärkt Massnahmen getroffen zur Einschränkung der nicht-sesshaften 
Lebensweise, Nicht-sessafte Menschen sollten durch soziale Disziplinierung, 
wenn nötig auch durch Strafmassnahmen und Zwang, ihrer bisherigen 
Lebensweise entfremdet werden. Staatliches Engagement zur Sesshaft 
machung von Fahrenden lässt sich nicht nur im Herrschaftsgebiet der 
Habsburger, sondern in allen deutschsprachigen Gebieten, inklusive der 
Schweiz und Liechtenstein, feststellen. Dabei war «die Eroberung des 
Raumes durch die zentrale Verwaltung [...] wesentlich an die Entwicklung 
:ines Netzes von administrativen Einrichtungen, die im Sinne des Staates 
handelten, gebunden».”® Da das Thema der Sesshaftmachung 
fahrender Menschen für Liechtenstein noch kaum erforscht ist, folgen 
nun zuerst einige Ausführungen zur diesbezüglichen Entwicklung in der 
benachbarten Schweiz. 
Das im Jahr 1815 in Graubünden erlassene «Gesetz über die Heimath- 
losen» hatte zum Ziel, jeden Menschen im Kanton einer Gemeinde 
zuzuordnen, «wenn der Betroffene, nach bestehenden Verhältnissen mit 
dem Auslande, nicht aus dem Kanton entfernt werden kann».?? Die 
Kantonsregierung konnte die Gemeinden neu dazu verpflichten, Heimat- 
lose in ihren Ortschaften zu tolerieren oder gar als «Angehörige» der 
Gemeinde anzunehmen. Während eine Tolerierung zeitlich beschränkt 
war, aber erneuert werden konnte, waren Angehörige in der betreffenden 
Gemeinde heimatberechtigt und konnten nicht weggeschickt werden.” 
Für die gesamte Schweiz wurde schliesslich im Jahr 1850 ein Gesetz 
geschaffen, dessen Absicht es war, «die unbequemen Minderheiten der 
nicht-sesshaften Bevölkerung mit ihren spezifischen Lebensformen durch 
den auf Sanktionen abgestützten Zwang kulturell zu assimilieren».*! Wie 
schon mit dem erwähnten Bündner Gesetz von 1815 war es das Ziel dieses 
Bundesgesetzes, alle schweizerischen Staatsangehörigen einem Kanton und 
einer Heimatgemeinde zuzuweisen. Das «Bundesgesetz, die Heimath- 
losigkeit betreffend» schaffte 1850 den Status der Heimatlosigkeit — sprich: 
der Nichtzugehörigkeit zu einem Kanton und zu einer Heimatgemeinde — 
für Schweizerinnen und Schweizer ab. Das Gesetz traf Massnahmen, die 
verhindern sollten, dass neue Fälle von Heimatlosen entstanden. Dabei 
nahm man die sogenannten «herumziehenden Vaganten» besonders ins 
17 Harald Wendelin: Schub und 
Aeimatrecht 2000, 5. 233. 
Ebd. 
Guadench Dazzi: Einbürgerungspolitik 
in Graubünden 2008, 5. 43. 
Ebd, 
Thomas Dominik Meier, Rolf Wolfens- 
Jerger: Heimatlose und Nicht-Sesshafte 
998 $. 11. 
18 
19 
20 
2} 
'\\r
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.