Staat zu verteidigen. Sie setzte sich daher über staatliche Verfügungen, die
das Eherecht und das Armenwesen betrafen, hinweg. So traute der katho-
lische Klerus immer wieder auch Ehepaare, denen die weltliche Obrigkeit
eine Heirat untersagt hatte. Damit geriet die Papstkirche in Konflikt
mit staatlichen Behörden. Andererseits wurde die katholische Kirche so
auch attraktiv für Paare, denen die Heirat von behördlicher Seite verweigert
worden war; und mit einem kirchlichen Trauschein ausgestattet, konnten
solche Paare zumindest zeigen, dass sie in «geordneten Verhältnissen» lebten.
Dies galt besonders auch für heimatlose und nicht-sesshafte Personen. Für
mittellose fahrende Paare aus reformierten Gebieten ermöglichte oft erst
ein Konfessionswechsel eine Trauung.‘* Die Schweizer Kantone erklärten
die so geschlossenen Ehen für ungültig und entzogen den Ehepaaren ihre
Heimatrechte.®
Auch die liechtensteinischen Behörden mussten sich mit Fällen von
in Rom geschlossenen Ehen befassen. Landvogt Peter Pokorny schrieb
im Februar 1828 dem Fürsten in Wien: «Liederliches und hergelaufenes
Gesindel, welches nach den Gesetzen dieses Landes nicht die geringste
Hoffnung zu einer Heiratsbewilligung haben konnte, fand zu allen Zeiten
sichere Zuflucht in Rom, wo man sich eben so wenig um die Verhältnisse
der Copulationswerber wie um die Gesetze des betreffenden Landes
kümmerte und nach dem alten canonischen Gebrauche die Verbandung
jedes Brautpaars vollzog. Ein leichtes war es also den Gesetzen dieses Landes
in dieser Hinsicht Trotz zu biethen, und die schönste Gelegenheit für
ungesittete Persohnen, Bettler, und liederliche Dirnen ihrem sonst sitten-
losen Lebenswandel den Deckmantel eines erlaubten Umganges zu geben.»
Konkret bat Landvogt Pokorny den Fürsten um eine Weisung, wie sich das
Oberamt in Vaduz in derlei Fällen zu verhalten habe.
Die Hofkanzlei antwortete im April 1828, «dass es gut seyn möchte,
wenn der fürstliche Landvogt einmal selbst nach Chur fahren und dort
bei dem Herrn Bischof mündlich den Versuch machen würde, ob es nicht
möglich wäre, über alle mit der römischen Curie strittigen Puncte eine
gütliche Vereinigung oder Concordat, wie man es nennen will, zustande zu
bringen.»% Eine Klärung in dieser Angelegenheit erfolgte offenbar nicht.
Dies geht jedenfalls aus einem Bericht des Landvogts Pokorny an den Fürsten
vom Dezember 1828 hervor. In diesem Bericht verwies Pokorny auf die
unangenehme Situation der liechtensteinischen Geistlichen, die einem
starken Spannungsfeld zwischen staatlicher und geistlicher Gesetzgebung
ausgesetzt waren: «Eines Theils bringen sie [die ungesetzlich von der Kirche
eingesegneten Eheschliessungen] die Pfarrer in eine so missliche Stellung,
aus welcher sie nicht heraus zu finden wissen, und anderen Theils bringen
sie keine wünschenswerthe Weckung bei den Unterthanen hervor, denn in
solchen strittigen Fällen werden die Pfarrer von dem Amte zu Geldstrafung,
zu Sequestration ihrer Güther, und zur Behandlung als Ruhestörer und
* Thomas Dominik Meier, Rolf Wolfens-
berger: Heimatlose und Nicht-Sesshafte
‚998, S. 38.
Ebd., S. 64-65. ;
LHLA RC 5/31: Rom-Ehen, Bericht von
Landvogt Peter Pokorny an den Fürsten,
„2. Februar 1828.
JH LA RC 5/31: Rom-Ehen, Antwort der
Hofkanzlei in Wien vom 7. April 1828 ar
das Oberamt in Vaduz. Kursiv gesetzte
Wörter im Originaltext unterstrichen.
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