ARMUT, NICHT-SESSHAFTIGKEIT, EHE- UND BÜRGERRECHT
Siehe zum Beispiel Gerhard Wanner:
Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1970,
S, 459-500; Sabine Falk-Veits, Alfred
Stefan Weiss: Armut. In: Arthur Brunhart
(Ha.): Bausteine 1999, Bd. 2, 5. 209-241
Der Zusammenhang von Armut, Nicht-Sesshaftigkeit, Ehe- und Bürger-
recht ist für Liechtenstein bisher noch nicht erforscht worden, weshalb
im Folgenden oft auf Entwicklungen in der benachbarten Schweiz Bezug
genommen wird. Zum Bereich des Armenwesens liegen zwar einzelne
Forschungsarbeiten vor,' doch mit der nun folgenden Darstellung, die die
genannten vier Bereiche für Liechtenstein miteinander verknüpft, wird
gewissermassen Neuland betreten. Es geht hier auch um das Schicksal von
Unterschichtfamilien, die im 19. Jahrhundert in Liechtenstein (weitgehend)
sesshaft wurden, jedoch nur verzögert und eingeschränkt Nutzungsrechte
in ihren neuen Heimatgemeinden erwerben konnten. Dieses Kapitel
beginnt mit einer Darstellung der Ursachen von Armut sowie von Heimat-
‘osigkeit und Nicht-Sesshaftigkeit.
Besonders betont sei an dieser Stelle der enge Zusammenhang von
Armut und verweigerter Ehebewilligung. Der im Jahr 1804 in Liechtenstein
eingeführte Ehekonsens erlaubte es den Behörden, mittellosen Paaren das
Heiraten zu untersagen. Heiratswillige Paare aus Unterschichtfamilien
versuchten in der Folge, im Ausland zu heiraten. Es werden zwei Schwestern
aus Triesenberg vorgestellt, die mit ihren Partnern nach Rom wanderten,
um dort kirchlich heiraten zu können. Die Ehe war dabei nicht nur ein
religiöses Sakrament, sondern von grosser gesellschaftlicher Bedeutung.
Ohne Ehebewilligung konnte ein Vater sein Bürgerrecht nicht an die Kinder
weitergeben, unehelichen Verbindungen entstammende Kinder waren
nicht erbberechtigt. Nicht verheiratete Frauen mit Kindern waren stark
benachteiligt, zumeist hatten sie einen schlechten Leumund. Die Ehe
ermöglichte Lebenschancen und einen guten Ruf für ein Paar und für seine
Kinder. Wohl nicht zuletzt deshalb hatten sich die erwähnten Frauen aus
Triesenberg um eine Eheschliessung bemüht. Welches Schicksal uneheliche
Nachkommen (gerade von Eltern mit einer nicht-sesshaften Lebensweise)
erwarten konnten, wird anhand von weiteren Beispielen aus der Gemeinde
Mauren gezeigt.
Eine amtlich bewilligte Heirat war jedoch keine Garantie für eine
zesellschaftliche Anerkennung oder gar Besserstellung. Mit einer ungünstigen
Wahl des Ehepartners konnten auch ein sozialer Abstieg und ein Verlust
von Bürgerrechten verbunden sein. Dies wird anhand einer Maurer
Bürgerin gezeigt, die einen Eschner Hintersassen geheiratet hatte. Dieser
war als Kind nicht-sesshafter Eltern aufgewachsen und hatte keinen guten
Leumund. Nach dessen frühem Tod suchte diese Frau um eine Rück-
bürgerung in ihrer ursprünglichen Heimatgemeinde an. Das gelang ihr
zwar, aber sie blieb gesellschaftlich geächtet.
Im Zuge der zunehmenden administrativen Erfassung der Bevölkerung
verstärkte sich im späten 18. und vor allem dann im 19. Jahrhundert die
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