Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

weg Gehör beim Gesetzgeber findet, interveniert das Gericht gelegent- lich schärfer. In einer jüngeren Entscheidung zur Handels- und Gewer- befreiheit im Gesundheitsbereich heisst es etwa: «Auffällig ist, dass das Gesetz die Voraussetzungen, die zum Dispens führen, nicht verständlich umschreibt, sondern sich mit dem allgemeinen Verweis auf ein ‹über- wiegendes öffentliches Interesse› begnügt. Der Verweis auf das öffent - liche Interesse ist konturenlos; er bleibt weitgehend ohne begrenzende Steuerungskraft, weil der Gesetzgeber die abstrakte Abwägung der auf dem Spiel stehenden öffentlichen und privaten Interessen nicht selbst vorgenommen hat, sondern der Exekutive überlässt. Das öffentliche In- teresse wird im Gesetz in keiner Weise konkretisiert. Es ist auch durch Auslegung nicht hinreichend zu erschliessen, was der Gesetzgeber damit bezweckt. Folge ist, dass die Regierung die in Frage stehenden Betriebe nach weitgehend ‹freiem› Ermessen von Fall zu Fall verweigern oder zu- lassen kann.»87Fiskalische Interessen qualifiziert der Staatsgerichtshof zwar als öffentliche Interessen, spricht ihnen aber grundsätzlich die Eig- nung ab, Eingriffe in Grundrechte zu rechtfertigen.88 Mit den zitierten Formulierungen greift der Staatsgerichtshof zu- gleich Überlegungen auf, die sich auch in der Judikatur des schweizeri- schen Bundesgerichts und der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- gerichts zur sog. Wesentlichkeitslehre wiederfinden.89Der Gesetzgeber werde «der ihm anvertrauten Aufgabe der Freiheitsbegrenzung»90nicht gerecht, wenn die Eingriffsbefugnisse nicht hinreichend bestimmt for- muliert seien. «Ein Eingriffsgesetz, vor allem ein solches […], mit dem die Zulassung von Betrieben der Gesundheitspflege grundsätzlich ver- boten wird, müsste durch eine klare formellgesetzliche Grundentschei- dung legitimiert sein.91[…] Wenn der Gesetzgeber es für notwendig hält, für im Schutzbereich eines Grundrechts […] liegende Tätigkeiten ein Bewilligungsverfahren vorzusehen, muss er hinreichend klar regeln, welche Voraussetzungen für die Bewilligung zu erfüllen sind und welche 99 
Schranken der Grundrechte 87Siehe StGH 2006/44, Erw. 4.3, LES 2008, S. 11 (17). 88So StGH 2008/38, Erw. 19 unter Bezugnahme auf die Schweizer Lehre und Judi - katur. 89Siehe dazu schon Höfling, Grundrechtsordnung, S. 91 f. 90Zu diesem Gesichtspunkt siehe schon oben bei Rz. 26 f. 91Unter Bezugnahme auf BGE 131 II 13, S. 29.32
	        

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