bilden. Dies bedeutet andererseits aber auch nicht, dass der Staatsge- richtshof keine eigenständige Grundrechtsdogmatik entwickeln würde. Eine solche ist insbesondere in seiner Rechtsprechung zum Willkürver- bot erkennbar, das zu einem allgemeinen, subsidiären und in der Verfas- sung nicht explizit verankerten, ihr aber zugrunde liegenden Auffang- grundrecht erklärt wird.14Hier emanzipierte sich der Staatsgerichtshof auch teilweise vom schweizerischen «Vorbild» und dem Einfluss der schweizerischen Rechtsprechung. Das Willkürverbot wird nicht nur als ungeschriebenes Grundrecht mit einem originären Schutzbereich ver- standen, sondern wird auch verfahrensrechtlich als vollwertiges Grund- recht betrachtet.15 Insgesamt wurde der Grundrechtsdogmatik des Staatsgerichtsho- fes attestiert, eine zunächst lange dauernde Zurückhaltung aufgegeben zu haben und dann vorsichtig auf eine – noch immer von Zurückhaltung geprägte – Judikatur eingeschwenkt zu sein: Wurde 1994 beispielsweise dem Staatsgerichtshof «in der Tendenz eine eher zurückhaltende Rollen- zuschreibung» zugebilligt,16stellte Hoch 2001 fest, dass die Grundrecht- sprechung des Staatsgerichtshofes in den letzten 15 Jahren «unter dem Eindruck der EMRK sogar von einer beträchtlichen Dynamik geprägt» war.17Der gegenwärtige Stand ist wohl der, dass sich die Dynamik, die Mitte der 1980er Jahre eingezogen war, etwas eingebremst hat. Dies ist einerseits damit zu erklären, dass der Aufholprozess mittlerweile dazu geführt hat, dass der Staatsgerichtshof durchaus zum Standard der Grundrechtsinterpretation in Europa aufgeschlossen hat, und anderer- seits damit, dass die wesentlichen Weichenstellungen in der Grund- rechtsinterpretation in Liechtenstein, bedingt auch durch die starke Ver- mehrung der an den Staatsgerichtshof herangetragenen Fälle, im We- sentlichen getätigt wurden. 862Peter
Bussjäger 14Hoch, Schwerpunkte, S. 76 f. 15Höfling, Verfassungsbeschwerde, S. 177. 16Höfling, Grundrechtsordnung, S. 36. 17Hoch, Schwerpunkte, S. 84.
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