Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

Ein Blick nach Österreich zeigt, dass weder die herrschende Lehre61noch der österreichische Verfassungsgerichtshof verfassungs- rechtliche Zweifel an der Zulässigkeit der Satzung (Allgemeinverbindli- cherklärung) von Kollektivverträgen (Gesamtarbeitsverträgen, Tarifver- trägen) haben. «An der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Satzung von Kollektivverträgen hegt der VfGH ebenso wenig Zweifel wie an der Zulässigkeit der Kollektivverträge selbst. [. . .] Der Verfassungsgeber hat das Institut der Satzung (im Einigungsamtsgesetz 1919, StGBl. 16/1920, § 18 Abs. 2) ebenso vorgefunden wie das des Kollektivvertrages.»62Pro- bleme hinsichtlich Koalitionsfreiheit oder Rechtsstaatsprinzip sieht der VfGH nicht. Aus wirtschaftsverfassungsrechtlicher Sicht zeigt die skizzierte Ordnung, dass auf dem Arbeitsmarkt weniger der Koordinationsmecha- nismus «Wettbewerb» als vielmehr die Gruppenvereinbarung vor- herrscht. Die Liste der allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeits- verträge ist beachtlich.63 2.1.2Arbeitskampffreiheit Die Landesverfassung äussert sich nicht zum Arbeitskampfrecht. Das ist nicht ungewöhnlich. Auch die schweizerische Bundesverfassung von 1874 enthielt keine expliziten Regelungen betreffend Streik und Aus- 768Klaus 
A. Vallender / Hugo Vogt der Tarifparteien beschränkt, trägt das Tarifgesetz in seinem § 3 Abs. 1 dem Grund- satz Rechnung, dass der Staat seine Normsetzungsbefugnis nicht in beliebigem Um- fang ausserstaatlichen Stellen überlassen und den Bürger nicht schrankenlos der normsetzenden Gewalt autonomer Gremien ausliefern darf, die ihm gegenüber nicht demokratisch bzw. mitgliedschaftlich legitimiert sind (vgl. BVerfGE 33, 125 [158]). Die Ausdehnung der Tarifgebundenheit auf Aussenseiter bedarf hiernach ei- ner zusätzlichen Rechtfertigung. Sie findet sich in der Allgemeinverbindlicherklä- rung, die das Gesetz der zuständigen, parlamentarisch verantwortlichen Arbeitsbe- hörde, dem Bundesminister oder – im Falle des § 5 Abs. 3 TVG – der Bundesregie- rung, anvertraut hat. Der Staat hat bei der Allgemeinverbindlicherklärung zwar kein eigenständiges Initiativrecht und Entscheidungsrecht und kann keinen Einfluss auf den Inhalt der Normen nehmen. [. . .] Unter dem Blickpunkt des Demokratieprin- zips wird dieses Defizit staatlicher Entscheidungsfreiheit durch die Voraussetzun- gen der Allgemeinverbindlicherklärung und in dem ihr vorausgehenden Verfahren hinreichend ausgeglichen. § 5 Abs. 1 TVG macht die Ausdehnung der Tarifgebun- denheit von strengen Bedingungen abhängig.» 61Hierzu Reissner Gert-Peter, in: Neumayr Matthias / Reissner Gert-Peter (Hrsg.), Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht, Wien 2006, § 18 ArbVG Rz. 21. 62VfGH 29.9.1994, V 85, 86/92, in: ZAS 1995, S. 134, S. 136. 63Siehe hierzu die Verordnungen LR 215.215.012 bis 215.215.024. 
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