Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

I.Geschichtliche Hinweise Wie in anderen europäischen Staaten stellt die Vereinigungsfreiheit und damit die Koalitionsfreiheit auch im Fürstentum Liechtenstein ein ver- gleichsweise junges Grundrecht dar.1Die Koalitionsfreiheit hat sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts mit der zunehmenden Industrialisierung und der damit einhergehenden sozialen Notlage der Industriearbeiter als «spezifische Erscheinungsform der Vereinsfreiheit»2entwickelt.3 Während die Landständische Verfassung vom 9. November 18184 noch keinen Grundrechtekatalog enthält,5gewährleisten die im Dezem- ber 1848 von der Nationalversammlung in Frankfurt verabschiedeten und in Kraft gesetzten «Grundrechte des deutschen Volkes»6in § 29 die Vereinsfreiheit.7Die Koalitionsfreiheit wird dabei als in der Vereinsfrei- heit enthalten angesehen.8Die Grundrechte der Paulskirche standen nur 754Klaus 
A. Vallender / Hugo Vogt 1Vgl. allgemein und für das deutsche Verfassungsrecht Rixen, Art. 9 GG, Rz. 1, in Übereinstimmung mit Höfling Wolfram, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, Art. 9, Rz. 1. Im feudalen Wirtschaftssystem des Mittelalters bestanden für die ver- schiedenen Berufsgruppen Zwangsverbände (Gilden, Innungen, Zünfte). Für die Vereinsfreiheit war in dieser berufsständischen Ordnung kein Platz; dies ebenso we- nig im absolutistisch regierten Staat. Vgl. hierzu Müller, Korporation und Assozia- tion, S. 18 ff., S. 36 f., und Richardi, Kollektivgewalt, S. 79 f.; weiter Scholz, Koali- tionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 22 ff. 2Höfling, Grundrechtsordnung, S. 141. 3Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 22 f.; Richardi, Kollektivge- walt, S. 79 ff. 4Landständische Verfassung vom 9. November 1818, abgedruckt in: LPS 8, Anhang, S. 259 ff. 5Zur Landständischen Verfassung von 1818 siehe Geiger, Geschichte, S. 18 ff.; Qua- derer Rupert, Die Entwicklung der liechtensteinischen Volksrechte seit der vorab- solutistischen Zeit und der Landstände seit 1818 bis zum Revolutionsjahr 1848, in: Liechtensteinische Akademische Gesellschaft (Hrsg.), Beiträge zur geschichtlichen Entwicklung der politischen Volksrechte, des Parlaments und der Gerichtsbarkeit in Liechtenstein, LPS 8, Vaduz 1981, S. 20 ff.; Richardi, Kollektivgewalt, S. 79 ff. 6Reichsgesetz betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes vom 27. Dezember 1848. Dieses Reichsgesetz wurde später mit Ergänzungen in die Verfassung des deutschen Reiches vom 28. März 1849 übernommen (§§ 130–189), Reichsgesetz- blatt 1849, S. 101, abgedruckt in: Huber Ernst Rudolf, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. Band I, 3. Aufl., Stuttgart 1978, S. 375 ff., S. 389 ff. 7§ 29 wurde zu § 162 der «Paulskirchenverfassung» (Verfassung des deutschen Rei- ches vom 28. März 1849) und lautet: «Die Deutschen haben das Recht, Vereine zu bilden. Dieses Recht soll durch keine vorbeugende Massregel beschränkt werden.» 8Vgl. Kühne Jörg-Detlef, Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. Aufl., Neuwied 1998, S. 242 f. und S. 399 ff. 12
	        

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