Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

Der Gesetzgeber umschreibt die Vertragsfreiheit, gestaltet sie aus und begrenzt sie. Im Mittelpunkt steht hier § 861 ABGB, der die Ver- tragsfreiheit umschreibt und eine rechtstechnisch-formale Schranke im Interesse der funktionierenden Gegenseitigkeitsordnung darstellt.66Da- bei gilt es immanente Schranken zu beachten, die vor allem die schwä- chere Partei schützen wollen.67Nicht gedeckt von der Vertragsfreiheit sind namentlich Übervorteilungen (§ 934 ABGB: Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes) und andere sittenwidrige Vertragsinhalte (§ 879 ABGB). Die §§ 934 und 879 ABGB stellen inhaltlich-materiale Schranken dar und dienen ebenso wie beispielsweise die Einschränkun- gen zwecks Verbraucherschutz, Arbeitnehmerschutz und Mieterschutz dem Schutz der schwächeren Partei.68Höfling spricht in diesem Zusam- menhang überzeugend von «gegenläufigen Prinzipien zur bzw. Schran- ken der Vertragsfreiheit».69737 
Handels- und Gewerbefreiheit 66§ 861 ABGB wurde von Österreich rezipiert und hat folgenden Wortlaut: «Wer sich erklärt, dass er jemanden sein Recht übertragen, das heisst, dass er ihm etwas ge- statten, etwas geben, dass er für ihn etwas tun oder seinetwegen etwas unterlassen wolle, macht ein Versprechen, nimmt aber der andere das Versprechen gültig an, so kommt durch den übereinstimmenden Willen beider Teile ein Vertrag zustande. So lange die Unterhandlungen dauern und das Versprechen noch nicht gemacht oder weder zum voraus noch nachher angenommen ist, entsteht kein Vertrag.» Der öster- reichische OGH hat zur Vertragsfreiheit Folgendes ausgeführt: « Nach stRsp [stän- diger Rechtsprechung] gilt im Schuldrecht grundsätzlich das Prinzip der Vertrags- freiheit, die Ausdruck des allgemeinen Gedankens der Privatautonomie ist [. . .]. Un- ter die Vertragsfreiheit fällt vor allem die Abschluss- und Eingehensfreiheit, wonach es im Belieben der Parteien steht, ob und mit wem sie kontrahieren wollen [. . .].» öOGH 7Ob273/03b, Entscheidung vom 19. November 2003, <www.ris.bka.gv.at>. Auch Innominatsverträge sind durch die rechtsgeschäftliche Privatautonomie ge- schützt. «Als Ausfluss des im österreichischen bürgerlichen Recht grundsätzlich geltenden Prinzips der Vertragsfreiheit ergibt sich die sog. Gestaltungs- oder In- haltsfreiheit, die es den Parteien insbesondere erlaubt, im Gesetz nicht geregelte aty- pische Verträge aber auch sogenannte gemischte Verträge abzuschliessen, die aus verschiedenen gesetzlich geregelten oder ungeregelten Vertragsarten zusammenge- setzt sind [. . .]» (öOGH 3Ob 539/85). 67Schon 1948 erklärte Karl Oftinger dazu überzeugend: «Indem sie den Entfaltungs- möglichkeiten des Einzelnen Zügel anlegen, schützen sie die Autonomie aller übri- gen vor dem Missbrauch ungezügelter Macht.» (Oftinger Karl, Die Vertragsfreiheit, in: Die Freiheit des Bürgers im schweizerischen Recht. Festgabe zur Hundertjahr- feier der Bundesverfassung, Zürich 1948, S. 315 ff., S. 317). 68Höfling, Vertragsfreiheit, S. 41. 69Höfling, Vertragsfreiheit, S. 41.25
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.