Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

I.Hinweise auf die Entstehungsgeschichte Der Verfassungsgeber von 1921 wählte zur Umschreibung des Schutz- objektes der Handels- und Gewerbefreiheit den gleichen Begriff, der im Rahmen der Totalrevision vom 29. Mai 1874 Eingang in die schweizeri- sche Bundesverfassung gefunden hatte.1In der Schweiz war dieser Be- griff u. a. gewählt worden, um zum Ausdruck zu bringen, dass vor allem Handel und Gewerbe von den Fesseln staatlicher Regulierung und vom Zunftzwang befreit werden sollten.2Die Auffassung war vorherrschend, dass mit der Verankerung der Handels- und Gewerbefreiheit «das libe- rale Wirtschaftssystem eingeführt worden war».3Was die Aufnahme der Handels- und Gewerbefreiheit in die Landesverfassung von 1921 be- trifft, ist die Orientierung an der schweizerischen Lösung unverkenn- bar.4Mit der Verfassung von 1921 erhielt «Liechtenstein eine nach schweizerischem Muster entworfene HGF [Handels- und Gewerbefrei- heit]».5Dabei stand allerdings die Aufnahme dieses vergleichsweise unbestrittenen Freiheitsrechts zunächst in einem offensichtlichen Span- nungsverhältnis zur Wirtschaftsgesetzgebung, die weitgehend österrei- chische Vorbilder rezipierte und die Wirtschaftsfreiheit stark ein- schränkte.6Die Verfassungsrechtsprechung ist diesem Spannungsver- hältnis zunächst unter Berufung auf den Gesetzesvorbehalt zugunsten der Beschränkungen durch den Gesetzgeber begegnet.7Diese Recht- 724Klaus 
A. Vallender 1Vgl. zu den staatsphilosophischen Wurzeln und zur historischen Entwicklung im europäischen Umfeld Schneider Hans-Peter, Art. 12 GG – Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit, VVDStRL 43, 1985, S. 7 ff., 9 ff.; Schneider legt dar, dass Ar- beit und Beruf seit Beginn des konstitutionellen Zeitalters zum liberalen Kernbe- stand verfassungsrechtlicher Gewährleistung gehörten, und weist nach, dass sie für die Staatsphilosophie zu den Grundbedingungen menschlicher Freiheit zählten. Er erinnert daran, dass die Handels- und Gewerbefreiheit erstmals Eingang fand in Art. 17 der Verfassung der französischen Republik von 1793, und zwar mit folgen- dem Wortlaut: «Nul genre de travail, de culture, de commerce ne peut être interdit à l’industrie des citoyens.» 2Vgl. zur Entstehungsgeschichte der Handels- und Gewerbefreiheit in der Schweiz Saladin, Grundrechte, S. 211 ff.; es ging namentlich um die Befreiung der Wirtschaft von merkantilistischer Wirtschaftslenkung. 3His, Geschichte, S. 595. 4Zu diesem Nahverhältnis siehe Frick, Gewährleistung, S. 10 ff., S. 25 ff. 5Frick, Gewährleistung, S. 30. 6Vgl. Frick, Gewährleistung, S. 30. 7Vgl. hierzu die vorzügliche Analyse von Frick, Gewährleistung, S. 218 ff. 1
	        

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