Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

(1. ZP) jeder natürlichen oder juristischen Person das Recht auf Achtung ihres Eigentums.29Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 1. ZP darf niemandem sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch das Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen. Nach Art. 1 Abs. 2 1. ZP beeinträchtigt die in Abs. 1 enthaltene Garantie jedoch nicht das Recht des Staates, diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem Allge- meininteresse oder zur Sicherung der Zahlung der Steuern oder sonsti- gen Abgaben oder von Geldstrafen für erforderlich hält. Der Staatsgerichtshof hat schon früh – noch vor der Ratifizierung – judiziert, dass die Eigentumsgewährleistung des 1. ZP EMRK nicht über die Garantie des Art. 34 Abs. 1 LV hinausgeht. «Jene Bestimmung geht [. . .] nicht weiter als Art. 34 Abs. 1 der liechtensteinischen Verfas- sung und kann daher auch nicht mittelbar, im Sinne einer Interpretati- onshilfe, zu einer anderen Auslegung der landesrechtlichen Gewährleis- tung des Privateigentums herangezogen werden.»30Damit bindet sich der Staatsgerichtshof zugleich selbst, indem er eine gegenüber der (auto- nomen) Auslegung des 1. ZP EMRK durch den EGMR reduzierte Ge- währleistung der Eigentumsgarantie ausschliesst. Zu erwähnen ist in diesem Kontext auch Art. 6 Abs. 1 EMRK, wo- nach jede Person ein Recht darauf hat, dass Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen von unabhängigen und unparteiischen Gerichten entschieden werden.31Die Garantie bein- haltet den Anspruch auf «ein faires, zügiges und öffentliches Verfahren» 698Klaus 
A. Vallender / Hugo Vogt 29Vgl. Art. 1 des Zusatzprotokoll vom 20. März 1952 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, LGBl. 1995, Nr. 208. Hierzu grund - legend Dolzer Rudolf, Der Schutz des Eigentums, in: Merten Detlef / Papier Hans- Jürgen, Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa. Band VI, Heidelberg 2010, § 140. Weiter Wille H., Verwaltungsrecht, S. 39 f. Zur anfänglichen Entwicklung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschen- rechte zur Eigentumsgarantie siehe ausführlich Villiger, Handbuch EMRK, Rz. 669 ff.; zur aktuellen Lage Peukert, in: Frowein / Peukert, EMRK, Art. 1 des 1. ZP, S. 639 ff. 30StGH 1987/12, LES 1/1988, Erw. 6, S. 6. So auch Wille H., Verwaltungsrecht, S. 40. 31Vgl. Art. 6 Abs. 1 EMRK. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte legt dabei die Begriffe «zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen»unabhängig vom nationalen Recht aus und versteht diese in einem weiten Sinne. Vgl. Villiger, Handbuch EMRK, Rz. 379 ff.; Peukert, in: Frowein / Peukert, EMRK, Art. 6 Rz. 5. 
16 17
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.