Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

5.Folgen einer Verletzung des Anspruchs auf freie und unverfälschte Willenskundgabe Ein Eingriff in den Anspruch auf freie und unverfälschte Willenskund- gabe bedeutet eine Verletzung der Pflichten im Wahl- oder Abstim- mungsverfahren. Dies hat indes nicht zwangsläufig die Aufhebung der Ergebnisse des Urnengangs zur Folge. Mängel im Wahl- oder Abstim- mungsverfahren führen nur dann zur Nichtigkeit der Wahl bzw. Ab- stimmung, wenn sie auf das Ergebnis einen erheblichen Einfluss gehabt haben oder haben konnten (Art. 64 Abs. 3 lit. d und Art. 74 Abs. 3 VRG). Wo die Art des Mangels eine ziffernmässige Ermittlung der Aus- wirkung ausschliesst,143genügt es, dass ein Einfluss auf das Ergebnis auf- grund der Umstände als möglich erscheint. Erforderlich ist eine Interes- senabwägung nach den gesamten Umständen; massgebend sind die Grösse des Stimmenunterschieds, die Schwere des festgestellten Mangels und dessen Bedeutung im Rahmen der gesamten Abstimmung.144Bei der Gesamtbewertung dieser Kriterien ist der Grundsatz der Verhältnismäs- sigkeit zu beachten.145Erscheint die Möglichkeit, dass die Abstimmung ohne den Mangel anders ausgefallen wäre, nach den gesamten Umstän- den als derart gering, dass sie nicht mehr ernsthaft in Betracht fällt, kann von der Aufhebung des Urnenganges abgesehen werden.146 Unzulässige Äusserungen im Vorfeld einer Volksabstimmung kön- nen ausserdem durch die laufende öffentliche Diskussion geheilt wer- den. Auszugehen ist vom mündigen Bürger, der in einem gewissen Aus- mass einseitige politische Stellungnahmen und Übertreibungen zu er- kennen und zu werten vermag. Die umfassende öffentliche Diskussion erlaubt eine freie Willensbildung jedes Stimmberechtigten und damit 677 
Politische Rechte 143Dies dürfte der Regelfall sein, vgl. Tschannen, Schutz, Rz. 74 f. 144StGH 1990/6, LES 1991, S. 133 (135); BGE 119 Ia 271 S. 274; BGE 112 Ia 129 S. 134. 145StGH 1993/8, LES 1993, S. 91 (97, 98); StGH 1990/6, LES 1991, S. 133 (135). Kri- tisch zur Verwendung dieses Kriteriums durch den StGH Höfling, Grundrechts- ordnung, S. 160. 146BGE 119 Ia 271 S. 274. Für private Interventionen gelten strengere Anforderungen: Die Wahl oder Abstimmung wird nur dann wiederholt, wenn die Auswirkung des Mangels auf das Abstimmungsergebnis ausser Zweifel steht oder zumindest als sehr wahrscheinlich erscheint, vgl. Arta Hans-Rudolf, Die Rechtsfolgen unzulässiger be- hördlicher Einflussnahmen auf kantonale und kommunale Wahlen und Abstim- mungen, in: AJP 3/1996, S. 278 ff.87 88
	        

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