Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

befragung ist eine allgemein gehaltene Frage zu einem politischen Ziel oder Sachverhalt.103 4.Verhältnis der Volksrechte zum Sanktionsrecht des Fürsten Sowohl Gesetzes- als auch Verfassungsänderungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit – auch im Falle der Annahme in einer Volksabstimmung – der Sanktion des Landesfürsten (Art. 9 und Art. 112 Abs. 2 LV). Dies gilt auch für die Ratifikation von Staatsverträgen (Art. 8 Abs. 1 LV). In bei- den Fällen verfügt der Fürst über ein breites Ermessen. Er kann die Sanktionserteilung oder die Ratifikation grundsätzlich ohne Angabe von Gründen verweigern.104 Im Falle eines positiven Volksentscheides über eine Verfassungs- bzw. Gesetzesvorlage oder einen Staatsvertrag ist indes davon auszuge- hen, dass den Fürsten eine Begründungspflicht trifft, wenn er seine Zu- stimmung nicht erteilen will.105Denn der Volksentscheid bindet die ge- setzgebende Behörde; in ihr wird abschliessend über eine bestimmte Sachfrage befunden. Eine Sanktionsverweigerung könnte wohl nur in Betracht kommen, wenn durch einen Volksentscheid verfahrensrecht - liche oder materielle rechtsstaatliche Grundsätze in krasser Weise ver- letzt würden.106Andernfalls ist der Volksentscheid –von ausserordent - lichen Fällen wie Gewissenskonflikten abgesehen –auch für den Fürsten als politisch «verbindlich» zu betrachten.107 666Bernhard 
Ehrenzeller / Rafael Brägger 103Marxer / Pállinger, Direkte Demokratie 2006, S. 35. Eine Konsultativabstimmung wurde 1968 über die Einführung des Frauenstimmrechts durchgeführt, an der auch Frauen teilnahmeberechtigt waren. 104Hoop, Auswärtige Gewalt, S. 189; Batliner, Sanktion, S. 138. Nach Frowein / Peu- kert, EMRK-Kommentar, S. 681, verstösst dies gegen Art. 3 des 1. ZP zur EMRK, da die Sanktionsverweigerung einem Akt des Parlaments aus welchen Gründen auch immer die Durchsetzung verweigere; einer nichtgewählten Körperschaft dürfe kein Vetorecht zukommen. Ebenso Batliner, Sanktion, S. 136 f. 105Gemäss Verfassung ist die Sanktionsverweigerung zwar nicht an eine Begründung gebunden; sie entspricht jedoch dem «Geist» der Verfassung (Art. 114 LV), vgl. Bat- liner, Sanktion, S. 134. 106Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn der Landtag anlässlich der Prüfung gemäss Art. 70b Abs. 2 VRG eine offensichtlich gegen zwingendes Völkerrecht ver- stossende Volksinitiative gleichwohl für zulässig erklärt hätte. 107Der Fürst verfügt somit nicht gewissermassen über ein Letztbeurteilungsrecht, was dem Wohle des Landes dient. Vgl. auch Batliner, Sanktion, S. 138, wonach die Ver- 
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