Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

Der Grundsatz der Einheit der Form wird weder in der Verfassung noch im VRG ausdrücklich festgehalten, lässt sich jedoch aus der Auf- zählung der beiden Initiativarten in Art. 64 LV (Verfassungs- und Ge- setzesinitiative) ableiten. Initiativen dürfen nicht Begehren, die unter- schiedliche Normstufen betreffen, vermischen. Das Verbot der Vermi- schung von einfacher Anregung und ausformuliertem Entwurf ergibt sich aus der für beide Formen unterschiedlichen Weiterbehandlung durch den Landtag (Art. 81 f. VRG).51Zudem müssen die Stimmberech- tigten als Ausfluss des Anspruchs auf freie und unverfälschte Willens- kundgabe (Art. 29 LV) in die Lage versetzt werden zu erkennen, welche rechtliche Wirkung ihrer Zustimmung oder Ablehnung zu einem zu- stande gekommenen Begehren zukommt (abschliessende Entscheidung oder Auftrag an den Gesetzgeber). 2.2.3.2 Einheit der Materie Der Grundsatz der Einheit der Materie verlangt einen inneren, sachli- chen Zusammenhang zwischen verschiedenen Abstimmungsfragen der- selben Vorlage.52Damit soll vermieden werden, dass in einer einzigen Vorlage über mehrere wichtige Fragen, die ohne inneren Zusammenhang sind, abgestimmt wird. Die Stimmberechtigten sollen nicht zu Gunsten oder zu Lasten einzelner Sachfragen die ganze Vorlage annehmen oder ablehnen müssen. Es soll ihnen ermöglicht werden, bei der Unterzeich- nung einer Initiative oder bei der Abstimmung über diese ihren wirkli- chen Willen unverfälscht zum Ausdruck bringen zu können (Art. 29 LV). Die Geltung des Grundsatzes der Einheit der Materie im liech - tensteinischen Recht ist umstritten, da weder die Verfassung noch das 654Bernhard 
Ehrenzeller / Rafael Brägger die Abstimmung über Verfassungs- und Gesetzesänderungen in einer einzigen Ab- stimmungsvorlage möglich; Batliner, Volksrechte, S. 147 Fn. 71 (so beispielsweise bei der Abstimmung vom 26./28. Juni 1992 über die Herabsetzung des Stimm- rechtsalters auf 18 Jahre, wofür eine Änderung von Art. 29 Abs. 2 und Art. 110bis LV [heute: Art. 111 LV] sowie von Art. 1 Abs. 1 VRG nötig waren). 51Vgl. BuA Nr. 50/2001, S. 16; Hangartner zu Art. 139 Abs. 2 BV, Rz. 24. 52Tschannen, Stimmrecht, Rz. 211 f.; Hangartner, Grundzüge Band I, S. 223; vgl. auch Art. 75 Abs. 2 BPR. Ein sachlicher Zusammenhang ist beispielsweise gegeben, wenn die Regelungselemente der Vorlage in einer Zweck-Mittel-Relation stehen, wenn sie ein und dasselbe Ziel verfolgen oder eine einheitliche Thematik betreffen (BGE 129 I 366 S. 369). Weitere Kriterien bei Hugenschmidt, Einheit der Materie, S. 48 ff., und Hangartner zu Art. 139 Abs. 2 BV, Rz. 27. 
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