Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

Schärfe handhabt»,92wenn sie an «Rechtsschriften überspannte Anfor- derungen stellt»93und auf diese Weise dem Bürger den Rechtsweg in un- zulässiger Weise versperrt oder auf unhaltbare Weise erschwert.94Der Staatsgerichtshof verlangt, dass Formvorschriften immer der Verwirk - lichung des materiellen Rechts zu dienen haben und nicht derart inter- pretiert und angewendet werden dürfen, dass sie zum Selbstzweck wer- den.95Deshalb sind verfahrensrechtliche Bestimmungen so auszulegen, wie dies für die Rechtsdurchsetzung des materiellen Rechts günstiger ist.96In diesem Sinne sind etwa Regelungen des Zustellgesetzes nicht zu formalistisch anzuwenden.97Ist es zweifelhaft, ob ein Rechtsmittel alle formellen Vorschriften erfüllt, ist im Zweifel von der Zulässigkeit des Rechtsmittels auszugehen.98Entsprechendes sollte im Weiteren auch für alle erstinstanzlichen Eingaben gelten. Das Verbot des überspitzten Formalismus erfordert, dass die Be- hörde bei leicht behebbaren Formfehlern dem Betroffenen eine Nach- frist setzt. So etwa, wenn bei einem Schriftsatz die Unterschrift, die Voll- macht des Rechtsvertreters99oder die Beilagen fehlen.100Auch bei «Voll- 615 
Rechtsverweigerung, Rechtsverzögerung, überspitzter Formulismus 92StGH 2005/77, Entscheidung vom 4. Juli 2006, S. 22, Erw. 2.2, nicht publiziert; StGH 2009/99, Urteil vom 20. Dezember 2010, S. 20, Erw. 4.1, im Internet abrufbar unter <www.gerichtsentscheidungen.li>. 93StGH 2005/77, Entscheidung vom 4. Juli 2006, S. 22, Erw. 2.2, nicht publiziert; StGH 2009/99, Urteil vom 20. Dezember 2010, S. 20, Erw. 4.1, im Internet abrufbar unter <www.gerichtsentscheidungen.li>. 94Vgl. StGH 2005/77, Entscheidung vom 4. Juli 2006, S. 22, Erw. 2.2, nicht publiziert; StGH 2009/99, Urteil vom 20. Dezember 2010, S. 20, Erw. 4.1, im Internet abrufbar unter <www.gerichtsentscheidungen.li>. Die Entscheidungen StGH 2005/77 und StGH 2009/99 verwenden diesbezüglich aber eine etwas missverständliche Formu- lierung. 95Vgl. StGH 2005/77, Entscheidung vom 4. Juli 2006, S. 22, Erw. 2.2, nicht publiziert. Siehe auch StGH 2008/5, Entscheidung vom 4. November 2008, S. 28, Erw. 3.1, im Internet abrufbar unter <www.stgh.li>; StGH 2009/99, Urteil vom 20. Dezember 2010, S. 20, Erw. 4.1, im Internet abrufbar unter <www.gerichtsentscheidungen.li>. Siehe auch Kley, Grundriss, S. 248 f.; Höfling, Grundrechtsordnung, S. 243 f. 96Vgl. StGH 2007/135, Entscheidung vom 15. April 2008, Erw. 3.5.3, im Internet ab- rufbar unter <www.gerichtsentscheidungen.li>. 97Vgl. StGH 2010/46, Entscheidung vom 21. September 2010, Erw. 3.3.4, nicht publi- ziert. 98Vgl. StGH 1995/11, Urteil vom 22. Juni 19995, LES 1996, S. 1 (6). 99Vgl. StGH 2002/45, Entscheidung vom 17. September 2002, S. 13 ff., Erw. 2 f., im Internet abrufbar unter <www.stgh.li>. Für die Schweiz siehe Müller / Schefer, Grundrechte, S. 834 f. 100Für die Schweiz vgl. Müller / Schefer, Grundrechte, S. 834 f. 38
	        

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