Volltext: Grundrechtspraxis in Liechtenstein

ausdrücklich entschieden. Allerdings hat er im Sinne einer «geltungs- zeitliche[n] Interpretation der Schrankennormen der Landesverfassung im Lichte eines modernen Grundrechtsverständnisses»40die kompli- zierte Schrankensystematik der Landesverfassung durch die Annahme materieller Grundrechtsschranken für alle Grundrechte ersetzt. Das heisst, Einschränkungen der in der Landesverfassung garantierten Grundrechte sind generell möglich, sofern die Grundrechtseingriffe ge- setzeskonform, im öffentlichen Interesse und verhältnismässig sind.41In diesem Sinn hat der Staatsgerichtshof auch beim Akteneinsichtsrecht, das einen Teilgehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellt, fest- gestellt, dass das Akteneinsichtsrecht aufgrund der oben genannten Kri- terien eingeschränkt werden kann.42Weiter wendet er auch beim Be- schwerderecht des Art. 43 LV diese Kriterien an.43 Aus diesen Gründen erscheint es vertretbar, diese Einschränkungs- kriterien auch auf das Verbot der Rechtsverweigerung anzuwenden. Es wird hier deshalb die Ansicht vertreten, dass die Verfahrensgarantien und somit auch das Verbot der Rechtsverweigerung den gleichen Schranken wie die Freiheitsrechte unterliegen. Ein Eingriff in das Verbot der Rechtsverweigerung muss im öffentlichen Interesse liegen, hinrei- chend bestimmt im formellen Gesetz geregelt sein, dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entsprechen und darf den Kerngehalt dieses Grundsatzes nicht verletzen.44 604Hugo 
Vogt Kriterien für die Einschränkung von Grundrechten grundsätzlich ausschliesslich für die Freiheitsrechte zur Anwendung kämen, aber bei den Verfahrensgrundrechten zu unterscheiden sei. So gebe es bei den Verfahrensgrundrechten Teilgehalte, bei denen Schutzbereich und Kerngehalt zusammenfallen würden und eine Einschränkung dieser Teilgehalte deshalb nicht in Betracht käme. Demgegenüber könnten Teilge- halte, für die dies nicht zutreffen würde, nach den allgemeinen Kriterien einge- schränkt werden. Vgl. dagegen Schefer Markus, Die Beeinträchtigung von Grund- rechten. Zur Dogmatik von Art. 36 BV, Bern 2006, S. 9 ff., welcher die Eingriffsvo- raussetzungen von Art. 36 BV auf alle Grundrechte anwendet, wobei für die Verfahrensrechte aber eine modifizierte Prüfung erfolgt. 40StGH 1997/19, Urteil vom 5. September 1997, LES 1998, S. 269 (274). 41Vgl. dazu StGH 1997/19, Urteil vom 5. September 1997, LES 1998, S. 269 (274.). 42Vgl. StGH 2008/85, Entscheidung vom 9. Dezember 2008, Erw. 3.1, publiziert un- ter <www.gerichtsentscheidungen.li>. 43Siehe dazu in diesem Buch Tobias Wille, S. 516 f. 44Vgl. zu diesem Problem die Ausführungen auf S. 589 f. in diesem Buch. 16
	        

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